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Zeitschrift für Hochschuldidaktik Nr. 2000/4:
Universitätsreform wohin?
Beiträge zur Suche nach einer adäquaten Identität

Gertrude BRINEK, Hans MIKOSCH (Wien, Österreich)

Universitätsreform - wohin?

Universitäten im Wandel ist ähnlich oft zu hören wie Gesellschaft im Wandel, der Informationsgehalt der Aussage scheint gleich Null, weil sie evident, nicht bestreitbar, ja selbstverständlich anmutet. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihr zeigt jedoch sofort, dass wie in einem Brennglas gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche Interessen in zumeist unterschiedlicher, oft widersprüchlicher Art an Universitäten im Rahmen sich wandelnder gesellschaftlicher Ansprüche zum Ausdruck kommen. Schon in der Wortwahl aktueller Fragestellungen werden zumindest unterschiedliche Sichtweisen deutlich: Ausgliederung versus Privatisierung, Studiengebühren gegen Studienbeiträge, Schwerpunktsetzung statt Standortbereinigung lauten einige der unterschiedlich belegten Begriffspaare. Diese Fragenbereiche sind zu ergänzen mit Dienst- und Besoldungsrecht, Studiengesetze für Kurzstudien, Privatuniversitäten, Fachhochschulen und erreichen so rasch den gesamten Umfang des tertiären Bildungssystems; gemeinsam mit der mit Universitäten notwendigerweise verbundenen Forschung, deren Organisation und Finanzierung wird ein gesellschaftlicher Bereich umschrieben, der in seiner wirtschaftlichen Bedeutung nach Umfang, Struktur und Dynamik herausragend ist für Bestand und Entwicklung des gesellschaftlichen Ganzen. Die aktuell laufenden oder angestrebten grundlegenden Umgestaltungen wecken gleichermaßen Hoffnungen auf adäquate, zeitgemäß bewertete Organisations-und Arbeitsformen wie auch manche Befürchtungen in Richtung Zerschlagung der Universitäten; sie rücken um so mehr die Frage nach den handelnden Personen, nach den leitenden Motiven in den Vordergrund.

Eine allgemeinere politische Betrachtungsweise findet leicht Ähnlichkeiten mit anderen Ausgliederungen aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich wie bei Post, Bahn, Gesundheitswesen, von kommunalen Einrichtungen wie öffentlicher Nahverkehr über Energieversorgung bis Bundeskultureinrichtungen wie Theater und Museen und die speziellen österreichischen Fälle wie Bundesforste, Schloss und Tiergarten Schönbrunn, DDSG und die Verstaatlichte Industrie. Diese mit Sachargumenten unterschiedlicher Qualität und Art belegte politische Mode betrifft im Bildungswesen jetzt konkret die Universitäten. Internationale Vergleiche drängen zum Handeln. Auch wenn für die scientific community weitgehend unabhängig von weltpolitischen Frontstellungen Kontakt, Kooperation und Wettbewerb kennzeichnend war und ist, werden europäische und besonders nordamerikanische Spitzenuniversitäten aus ihrer sie bestimmenden politischen Kultur und ihrem gesellschaftlichen Umfeld herausgelöst und anderen als strahlende Vorbilder vorgehalten. Auch wenn diese Bilder mehr gestaltet werden durch unsere Wünsche als durch die durchaus widersprüchliche Realität US-amerikanischer staatlicher und privater Colleges und Universitäten, bestimmen die politischen Vorgaben Rich-tung und Tempo.

Im Rahmen der generellen Vorgabe, ausgeglichene Budgets zu erreichen, zusätzlich begründet sowohl durch fiskalpolitische Beschlüsse der EU als auch durch ähnliche Entwicklungen in anderen, nicht nur europäischen Ländern, wird in Österreich die Änderung der Universitäten verstärkt vorangetrieben hin zu autonomen Einrichtungen des Bundes mit einer speziellen Aufgabendefinition. Dazu wird ein ius sui generis erforderlich sein, um den unterschiedlich komplexen Strukturen der verschiedenen Universitäten Rechnung tragen zu können und gleichzeitig die Änderung kollegialer Organisationssysteme sowie die Korrektur von Unzulänglichkeiten mehr in den Vordergrund des Reformprozesses zu rücken. Tatsächlich ist es weitgehend unumstritten, die Autonomie der Universitäten zu erweitern, indem der Status einer nachgeordneten Dienststelle zu Ministerien aufgehoben und jährlich gebundene Budgetzuweisungen über das Bundeshaushaltsrecht durch mehrjährige Globalbudgets ersetzt werden, um nur zwei wichtige Themenbereiche anzusprechen. Ohne hier auf Inhalt und Bedeutung von Universitätsautonomie und ihren Bezug zu legitimen Interessen des Staates und der Gesellschaft an diesen Bildungseinrichtungen eingehen zu wollen, so zeigt doch die politische Praxis, dass jede beliebig tief gehende, komplizierte Strukturdiskussion abgeschlossen und entschieden wird durch die Einhaltung finanzieller Rahmenbedingungen, auch wenn dies im Laufe des Prozesses immer wieder verbal verdrängt oder bestritten wird.

Die Notwendigkeit der Universitätsreform ergibt sich aus der hohen Bedeutung der Bildung für die gesellschaftliche Entwicklung, aus den hohen Aufwendungen des Staates für die Bildungseinrichtungen und aus vergleichenden Bewertungen internationaler Organisationen. In verschiedenen Regierungserklärungen der letzten Jahre oder in Verhandlungen dazu finden sich in unterschiedlicher Deutlichkeit die politischen Zielvorgaben; sie enthalten aber mehr pragmatische Festlegungen als sachlogische Begründungen für Entscheidungen in einem widersprüchlichen Prozess. Daher ist eine politischen Auseinandersetzung erforderlich, in deren Rahmen ein sachlich korrekter Meinungsstreit um Inhalte erst geführt werden muss; dies ist um so schwieriger, da Kernfragen der vorliegenden Änderungsvorhaben wie Einführung von Marktmechanismen, Mitbestimmung in Kollegialorganen, ökonomischeoder gesellschaftliche Relevanz von wissenschaftlichen Studien oder künstlerischer Bildung politisch geprägt und auch nicht ideologiefrei sind. Die Änderungsvorhaben betreffen sowohl organisatorisch-technische als auch wissenschaftlich-systematische Bereiche der Bildungseinrichtung Universität; die hier angesprochene Vielfalt bezieht auch Kommunikation und Arbeitsbedingungen der Wissenschafter selbst mit ein. Um so mehr muss es deren Aufgabe sein, in einer realen, von Widersprüchen gekennzeichneten Umgebung eine Auseinandersetzung über die Verfasstheit der Hohen Schulen zu führen.

Wir beginnen unseren universitätspolitischen Diskurs mit einem grundlegenden Beitrag von Sigurd HÖLLINGER; aus einer Darstellung langjähriger Konzepte und Bestrebungen zur Erweiterung der selbständigen Handlungsmöglichkeiten und der Entscheidungsverantwortung leitet er eine aktuelle ‚Renaissance der Universitäten' in neuer, unternehmerisch definierter Selbstständigkeit her.

Johann J. HAGEN |

Der oben angesprochenen Autonomiefrage widmen sich drei Beiträge: Getrude BRINEK | Alfred J. NOLL | Ulrich GÄBLER |

Theoretische Konzepte erfordern auch praktische Konkretisierungen: Gerald BAST |

Friederike HASSAUER |

Günther BONN |

Gerade Wissenschaft ist ein internationaler Prozess: Klaus LANDFRIED beschreibt die 'Reformen in Deutschland' in einem weiteren Beitrag aus dem deutschsprachigen Raum. Hier sei auch festgestellt, dass es den Herausgebern leider nicht rechtzeitig gelungen ist, Darstellungen und Erfahrungen aus dem nicht-deutschsprachigen, insbesondere dem angelsächsischen Raum durch einen Beitrag abzudecken.

Der gesellschaftliche Rahmen und das gesellschaftlichpolitische Interesse an universitären Bildungseinrichtungen aus der Sicht von Arbeitnehmervertretungen wie Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammern wird von Martha ECKL |

Die Herausgeberin und der Herausgeber haben versucht, im Rahmen einer pointierten politischen Auseinandersetzung einen davon nicht loszulösenden wissenschaftlichen Meinungsstreit zu initiieren. Ob ihnen dies gelungen ist, kann erst die aktive Beteiligung anderer zeigen.

Gertrude Brinek Hans Mikosch

Wien, im Juni 2001




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