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Zeitschrift für Hochschuldidaktik Nr. 1-2/1996:
Qualität der Hoschschullehre

Anne-Kathrin HÄNEL, Gertrud MARKTL, Gertraud MUHR, Siegmund REISENZEIN | Friedrich SPORIS |

Versuch und Irrtum - Probleme mit der Studienberechtigungsprüfung: Eine Evaluationsstudie
Trial and Error - Problems with the University Entrance Exam: An Evaluation Study

1. Das Damoklesschwert des neuen Gesetzes

Als wichtige Neuerung sieht das UOG'93 künftig vor, alle Pflichtlehrveranstaltungen und an den Universitäten eingerichteten Studien am Ende des Semesters einer Evaluation zu unterziehen (siehe § 18 Abs 1). Bei Bedarf sollen auch größere (Organisations-)Einheiten evaluiert werden. Dabei ist eine laufende Information der betreffenden Universitätsangehörigen und -organe und die Einladung zur Stellungnahme zum Verfahrensablauf, zu den Zwischenergebnissen, den Ergebnisse und deren Umsetzung vorgesehen (§ 18 Abs 5).

Die Auslegung und Umsetzung dieses Gesetzestextes kann in vielerlei Weise geschehen, da es bisher nur eine "Empfehlung der PROKO zur Evaluierung der Lehre gemäß UOG 1993" gibt. Diese Empfehlung der Bundeskonferenz der Universitäts- und Hochschullehrer (PROKO) vom 15. April 1994 geht allerdings von einem einseitigen und mittlerweile als veraltet zu bezeichnenden Verständnis des Begriffes "Evaluation" aus. Selbst im Sinne des UOG'93 kann es nicht sein, ausschließlich eine End-, also eine reine Ergebnisevaluation zu empfehlen. Geht es um eine qualitative Verbesserung der universitären Lehre und Forschung, um eine Hebung des internationalen wissenschaftlichen Ansehens österreichischer Universitäten, Wissenschaftler, Studenten und Absolventen, so empfiehlt das UOG'93 richtig, in den Austausch mit den betreffenden Personen und Organen einzutreten und diese schon während der Evaluation in den Prozeß einzubeziehen. Die moderne Evaluationstheorie bezeichnet diese Art des Vorgehens als "Prozeßevaluation": Gesammelte Daten, Erfahrungen, Hinweise, Kritikpunkte usw. werden während des Prozesses an die Betroffenen "zurückgegeben" und mit ihnen besprochen. Dabei kommt es zu einer internen "Evaluation der Evaluation". Die in diesen Gesprächen gemachten Erfahrungen und gesammelten Informationen, Hinweise usw. fließen in die jeweils nächste Phase der Evaluation und in die Arbeit der Betreffenden (des "Evaluationsobjektes") ein. Auf einen existierenden Prozeß (z.B. eine Lehrveranstaltung) wird mit einem Prozeß geantwortet, der die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des "Evaluationsobjektes" und der Prozeßevaluation in sich integriert.

Das UOG'93 ermöglicht den österreichischen Universitäten, da bislang Verordnungen und Bestimmungen fehlen, eigene Wege der empfohlenen Prozeßevaluation zu suchen und diese zu gehen.

Die an der Universität Klagenfurt im Wintersemester 1994/95 entstandene Arbeitsgruppe "Evaluation", bestehend aus sechs Studierenden und Univ.Prof.Dr.Dietmar LARCHER, hat auf Grundlage des UOG'93 Vorbereitungskurse für die Studienberechtigungsprüfung und deren organisatorische und gesetzliche Rahmenbedingungen evaluiert. Das oben erläuterte Verständnis des Evaluationsbegriffes prägte und leitete die Arbeit. Daraus resultiert der hier vorliegende Bericht.

Dieser Bericht hat zwei wesentliche Intentionen: Zum einen soll der begonnene Prozeß, d.h. die Auseinandersetzung mit dieser Problematik (z.B. hohe Dropout - Rate), auf verschiedenen Ebenen fortgesetzt bzw. initiiert werden: bei den Teilnehmern der Kurse, die die potentiellen künftigen Studierenden an österreichischen Universitäten darstellen, bei den zuständigen und involvierten UniversitätsdozentInnenen und anderen Universitätsangehörigen (z.B. in der Prüfungs- und Studienabteilung) und insbesondere bei den Verantwortlichen im Ministerium für Wissenschaft und Forschung. Zum anderen stellt diese Evaluationsstudie eine der ersten Umsetzungen des UOG'93 dar, die unter aktiver Mitwirkung von Studenten initiiert und erstellt worden ist. Das im weiteren noch zu beschreibende Konzept (Grundgedanken, Vorgehensweise und Methoden) stellt eine Möglichkeit der Evaluation dar und beansprucht Modellcharakter für weitere Evaluationsempfehlungen des BMWF.

2. Beweggründe für die und Ziele der Evaluationsstudie

Die Arbeitsgruppe entstand im Rahmen der Lehrveranstaltung "Methoden der Evaluation" bei Univ.Prof.Dr.Dietmar LARCHER. Sie wollte die Verfahren bildungswissenschaftlicher Evaluation nicht nur theoretisch kennenlernen, sondern auch gleich erproben. Das Interesse der Beteiligten wurde auf den Studienberechtigungslehrgang gelenkt, den eine Teilnehmerin selbst absolviert hatte. Der Lehrveranstaltungsleiter unterstützte dieses Interesse. Er berichtete den TeilnehmerInnen, da der Klagenfurter Lehrgang (wie übrigens die Lehrgänge aller anderen österreichischen Universitäten auch) eine erstaunlich hohe Dropout-Rate von ca. 70% habe. Alle Beteiligten stimmten überein, da es sinnvoll und nützlich wäre, Einblick in den Ablauf des Lehrganges und die Situation der TeilnehmerInnen zu bekommen, um daraus einige begründete Vermutungen über die Dropout-Rate ableiten zu können.

Der gesamte Lehrgang in seiner Komplexität konnte nicht Gegenstand der Evaluation bilden. Dies hätte den Rahmen unserer Möglichkeiten gesprengt. Deshalb beschränkt sich die Studie auf zwei Teillehrgänge, deren LeiterInnen dankenswerterweise bereit waren, Forschungstätigkeit im Rahmen ihrer Veranstaltungen zuzulassen. Es handelt sich um den Lehrgang Deutsch von Frau Mag.Marlies Krainz-Dürr und um den Lehrgang Geschichte von Herrn Mag. Eduard Polte.

Im Rahmen der Evaluationsstudie haben wir die Erfahrungen der LehrgangsTeilnehmerInnen mit den von uns im Lehrgang beobachteten Ereignissen und Einschätzungen verglichen. Über Stärken und Schwächen und mögliche Ursachen für die hohe Dropout-Rate wurden Hypothesen erstellt. Daraus wurde ein Feedback-Angebot für Lehrende und Lernende zusammengestellt.

3. Vorgangsweise und Modellerarbeitung

Das Kennenlernen der eingangs erwähnten Prozeßevaluation war ein wichtiger erster Schritt der Forschungsaktivitäten der Arbeitsgruppe "Evaluation". In mehreren Seminareinheiten beschäftigten wir uns mit verschiedenen Modellen der Evaluation, z.T. auch im Selbststudium. Das Modell der "Prozeßevaluation" erschien uns als das umfassendste, für die Untersuchung des Studienberechtigungswesens passendste und zudem richtungsweisendste für weitere Evaluation nach Maßgabe des UOG'93. Evaluation, als prozeßbezogenes Verfahren verstanden, bedeutet nicht eine nachträgliche kalte Analyse, sondern impliziert die Beobachtung und Begleitung des Prozesses der Veränderung. Prozeßevaluation ist nicht auf summative, sondern auf formative, eingreifende, verändernde Auswertung der Daten angelegt. (vgl. HOLTKAMP/SCHNITZER S. 3).

Im folgenden wird die Vorgangsweise erläutert:

Im Vordergrund der weiteren Studien und Arbeiten stand die Frage: "Wer evaluiert was für wen mit welchen Methoden zu welchem Zweck, wann und wie lange?" Sie diente zur Reflexion der Forschungsziele und der Verfahren, aber auch zur Wahl der Adressaten.

Die vorhin bereits erwähnte Arbeitsgruppe hat Kurse zur Vorbereitung der Studienberechtigungsprüfung während des Wintersemesters 1994/95 besucht und Gruppendiskussionen mit den LehrgangsteilnehmerInnen durchgeführt - und zwar in der Rolle als "kritischer Freund" (vgl. ALTRICHTER/POSCH, S. 72). Der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit im beobachteten und miterlebten Prozeß richtete sich vor allem auf die Interaktion der Beteiligten und auf gesetzliche und organisatorische Rahmenbedingungen. Das Modell der Themenzentrierten Interaktion nach Ruth Cohn, in dem der einzelne, die Gruppe, das Thema und die äußeren Bedingungen gleichermaßen Beachtung finden, galt für uns als normative Grundorientierung.

Nach einer intensiven Phase der theoretischen Vorbereitung folgten mehrere Phasen der aktiven, passiven und teilnehmenden Beobachtung in verschiedenen Lehrgangsteilen des Studienberechtigungslehrganges, Interviews mit LehrgangsteilnehmerInnen und Gespräche mit involvierten UniversitätsdozentInnen. Darüber wurden Protokolle angelegt. Zwischen den Beobachtungsphasen wurden die gesammelten Erfahrungen und Daten innerhalb der Arbeitsgruppe besprochen und interpretiert. Über diese Metadiskussionen wurden ebenfalls Gedächtnisprotokolle angefertigt, die beim nächsten Zusammentreffen in die Diskussion und Interpretation der sich ständig erweiternden Datenbasis einflossen. Unter "Interpretation" ist in diesem Zusammenhang einerseits die Deutung der Daten, andererseits aber auch das Bewußtwerden, Aussprechen und Miteinander-Besprechen unserer (der Evaluatoren) unterschiedlichen Nähe und Distanz zum Thema sowie unserer Vor-Urteile in Bezug auf dieses zu verstehen, wobei die unterschiedlichen Ansätze, Sichtweisen und Verstehensformen der Mitglieder der Arbeitsgruppe gleichermaßen Beachtung und Berücksichtigung fanden.

Einen vorläufigen Abschluß des Prozesses von Beobachtung - Datengewinnung - Dateninterpretation und weiterer Beobachtung bildete der von der Arbeitsgruppe verfaßte Zwischenbericht, der die Grundlage für zwei Gruppendiskussionen mit LehrgangsteilnehmerInnen darstellte und auch diesem Endbericht zugrundeliegt. Die während dieser Gruppendiskussionen gesammelten Daten und Erfahrungen fließen in interpretierter Form in diesen Bericht ein.

Die Adressaten der Ergebnisse waren alle mit der Studienberechtigung befa ten Personen der Universität Klagenfurt, insbesondere die Lehrgangsleitung, die DozentInnen und die TeilnehmerInnen des Lehrgangs.

4. Die Ergebnisse der Evaluation

4.1. Double Bind

Die Universität macht Werbung für die Einrichtung der Studienberechtigungsprüfung. Es gibt eine eigene Werbungsbroschüre, es erscheinen werbende Artikel in Zeitungen, es wird über Erwachsenenbildungsinstitutionen geworben. Die Interessenten bzw. Prüfungswerber werden auf die geltende Rechtslage hingewiesen, die ihnen die Möglichkeit des Studierens einräumt. Sie erleben jedoch einen Widerspruch zu diesen Werbeversprechungen, sobald sie sich tatsächlich um Aufnahme und Integration in den universitären Betrieb bemühen. Es stellt sich nämlich heraus, daß sie für alle Universitätsangehörigen (Lehrende, Verwaltung, Studierende) den niedrigsten Status aller Studierenden einnehmen mit allen Konsequenzen, die das für Kommunikation, Kooperation, Information und Integration hat.

4.2. "Buchbinder-Wanninger-Syndrom" 1

Die Evaluationsgruppe hat festgestellt, daß es zwar zentrale Ansprechstellen für die Betreuung der Studienberechtigungswerber gibt, daß diese Ansprechstellen aber aufgrund anderer Verpflichtungen überlastet sind und kaum Zeit für den hier untersuchten Personenkreis haben. Jeder, der sich für einen solchen Schritt entschließt, würde eine ausführliche und eingehende Beratung von ein bis zwei Stunden brauchen. In dieser Beratung sollte sowohl der inhaltliche als auch der administrative Aspekt gründlich besprochen werden. Derzeit jedoch wird dies an zwei verschiedenen Stellen im Schnellverfahren durchgeführt. Aufgrund dieses Beratungsnotstandes sprechen die Prüfungswerber andere Personen an, werden weiterverwiesen und erhalten unvollständige und Verwirrung stiftende Auskünfte.

4.3. Demotivierende Faktoren:

4.3.1. Die Angst erkannt zu werden/Schwellenangst/Scham, etwas nachholen zu müssen:
Der Einstieg in einen dem Berufsleben konträren und eher mit Jugend verbundenen Bildungsprozeß ist mit einer gewissen "Schwellenangst" verbunden. Es geht hier eigentlich um eine Scham, mit dem Besuch des Studienberechtigungslehrganges zu zeigen, daß man einen Bildungsnachholbedarf hat. Wie dieses Manko in der nahen Umgebung interpretiert wird bleibt aber offen. Diese Offenheit macht unsicher. Außerdem fällt es nicht leicht, nach einer so langen Pause wieder zu lernen. Man fühlt sich gegenüber den jüngeren Studenten unsicher und als Späteinsteiger abgestempelt.
4.3.2. Prüfungsangst:
Man weiß eigentlich nicht recht, wie man mit Prüfungssituationen umgehen soll: Es fehlt das lockere Herangehen an Prüfungen und es gibt Unsicherheiten bezüglich der inhaltlichen Anforderungen, dem sogenannten "Level" und der Art der Prüfungen. Hinzu kommt der eigene hohe Anspruch. Was Prüfungen anlangt gibt es eine sogenannte "Gerüchteküche", die anscheinend für Negatives besonders empfänglich ist.

Viele Teilnehmer legen nach ungefähr 20 Jahren wieder ihre ersten Prüfungen ab. Dabei werden alte Schulerfahrungen wieder wach und wirksam. Sie können nicht mehr mit Prüfungssituationen umgehen oder nur sehr schwer, ihnen fehlt die Routine im "Schülerverhalten".

4.3.3. Stoffülle:
Das Prüfungsfach Geschichte wirkt erdrückend durch eine "immens konturlose Überschwemmung mit Stoff".
4.3.4. Orientierungslosigkeit:
Die größten Schwierigkeiten stellen die Anfangsbedingungen dar. Die Informationen sind verwirrend, unklar und zum Teil sogar falsch; man weiß eigentlich nicht, welche Lehrveranstaltungen besucht werden müssen, welche Wahlmöglichkeiten es in bezug auf die Fächer gibt. Die Einführungsveranstaltung verunsichert dermaßen, daß man sich danach weniger auskennt als vorher. Die unklaren Anfangsbedingungen lassen phantasieren, ob man überhaupt "gewollt" ist.
4.3.5. Probleme mancher Universitätsangehöriger beim Umgang mit Erwachsenen verleiten zur Regression in überwunden geglaubte Lebensphasen:

Wer sich um die Studienberechtigung bewirbt und die Mühen der Unimaschinerie auf sich nimmt, erlebt sich in manchen Situationen als unmündiges Wesen, dessen Lebenserfahrung eigentlich nicht zählt - so als müßte man am Nullpunkt seines Lebens wieder anfangen.

Einer der wichtigsten Bereiche, der bei der Evaluation zur Sprache kam und von fast allen PrüfungswerberInnen bzw. LehrgangsteilnehmerInnen angesprochen wurde, war die Art und Weise, wie an der Universität mit berufstätigen Erwachsenen (auch Hausfrauen) in vielen Bereichen umgegangen wird. So meinten zahlreiche Befragte übereinstimmend: "Man bietet uns groß die Möglichkeit der Weiterbildung an der Universität an. Wenn wir dann hinkommen, werden wir dort behandelt, als möchten die uns gar nicht haben!" Dies sei in einigen Sekretariaten, aber auch bei manchen Lehrveranstaltungen so. Obwohl man für eine (unzureichende) Aufklärung über Studienmöglichkeiten sogar zahlen müsse (gemeint sind Informationsveranstaltungen am WIFI), wird den PrüfungswerberInnen an der Universität teilweise das Gefühl "der Ignoranz der eigenen Lebenserfahrungen" vermittelt, so als wüßten sie nicht, was sie tun, wenn sie sich für die Studienberechtigung entschließen.

Das dürfte wohl der Grund sein, warum es im Rahmen der Studienberechtigungsvorbereitung nicht zu einer wirklichen Begegnung zwischen "erwachsenen, berufstätigen Menschen" kommen kann, meinen viele Betroffene.

Eine solche Begegnung kann unserer Meinung nach nur dort zustandekommen, wo ein Mensch seine Gleichgültigkeit einem anderen gegenüber überwindet und sich ihm taktvoll zuwendet, d.h., wenn er bereit ist, auf die Erwartungen und Bitten des anderen einzugehen, ihm zu antworten und so Verantwortung zu übernehmen. Diese Hinwendung zum Mitmenschen wäre gerade von einer Bildungseinrichtung, wie es eine Universität ist, in besonderem Maße zu erwarten. Wo sonst, wenn nicht hier, sollte gelernt werden können, Vorurteile abzubauen und aufeinander in gegenseitiger Achtung, Toleranz und Hilfsbereitschaft zuzugehen und einander helfend beizustehen?

4.3.6. Unischock:
Die institutionelle Kultur der Universität unterscheidet sich in vielen Punkten drastisch von anderen Teilkulturen der Gesellschaft. Insbesondere gilt dies für den Umgang mit Autorität und für das unterschiedliche Verständnis von Zeit.
4.3.7. Informationswege/träger/formen:
Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Studienberechtigungsvoraussetzungen, die geforderten Eingangsqualifikationen werden in Frage gestellt. Diese erschweren und verzögern einen Beginn oder verhindern diesen sogar. Es wird dahingehend argumentiert, daß letztendlich doch Prüfungen über Bestehen oder Nichtbestehen und damit über Hochschulberechtigung entscheiden. Warum muß es noch eine zusätzliche Hürde geben? Im speziellen wird das geforderte fehlende Berufsausmaß von "nur" Hausfrauen und Müttern als Diskriminierung dieser Tätigkeiten empfunden und als Wiederspiegelung der gesellschaftlichen Geringschätzung der Hausfrauentätigkeit auch am Bildungssektor gewertet.

4.4. Lernprobleme im Prüfungsfach Geschichte

Ein Teil der Lehrgangsteilnehmer wünscht sich Lernen in strukturierten Zusammenhängen. Ein anderer Teil hat Probleme beim Denken und Lernen in strukturierten Zusammenhängen. Entsprechend unterschiedlich sind Ansprüche und Erwartungen an die Prüfung. Die einen empfinden den Prüfungsstoff als konturlos, die anderen haben Angst vor der Stofflawine und nur ein Teil kommt mit der Strukturierung gut zurecht. Die meisten aber wünschen sich eine Aufteilung des Prüfungsstoffes in Teilprüfungen.

Der Lehrkörper vertritt die Ansicht, daß Geschichte eine ganzheitliche Betrachtungsweise erfordert und daß isoliertes Faktenlernen diesem Anspruch nicht gerecht wird.

Uns fällt auf, daß sich die beiden Seiten bezüglich dieses Problems noch nicht zufriedenstellend verständigt haben.

5. Stärken, Schwächen, offene Fragen

5.1. Stärken:

  • Lehrgangsangebot ist positiv,

  • Lehrgang ist sehr kostengünstig,

  • Rücksichtnahme auf zeitliche Möglichkeiten berufstätiger Erwachsener bei der Erstellung des Stundenplans ist groß,

  • didaktische Qualifikation und Erfahrung der LehrgangsleiterInnen ist gut bzw. sehr gut,

  • Lehrgangsteil "Einführung in wissenschaftliches Arbeiten" ist sehr gut,

  • Angebot an Wahlfächern ist relativ groß.

5.2. Schwächen:

  • Information ist zu wenig gründlich, manchmal sogar verwirrend und widersprüchlich, muß mühsam an verschiedenen Orten zusammengesucht werden (Studien- und Prüfungsabteilung, einzelne Fachprüfer an verschiedenen Instituten),

  • umfassende schriftliche Information fehlt bzw. ist PrüfungswerberInnen nicht zugänglich,

  • begleitende Betreuung der ratsuchenden BewerberInnen ist nicht ausreichend gewährleistet, jede Person würde mehrere Termine für Beratungsgespräche brauchen, bekommt aber nur einen,

  • auf 1000 BewerberInnen kommt 1 Person in der Verwaltung, die andere Hauptaufgaben hat, und eine Person des wissenschaftlichen Personals, die ebenfalls andere Hauptaufgaben hat,

  • Kriterien der Zulassung sind nicht durchsichtig, bereits die Formulierung im Gesetz ist schwammig,

  • ÖH kümmert sich überhaupt nicht um die StudienberechtigungswerberInnen, es gibt dort kein Referat.

  • Lehrgang ist zu wenig in den regulären Universitätsbetrieb eingebunden, es gibt zu wenig Kontaktstellen mit dem Regelstudium,

  • TeilnehmerInnen werden zu wenig zur Vernetzung und Gruppenbildung angehalten, sind ziemlich isoliert, haben auch untereinander zu wenig Kontakt und Kommunikation,

  • Verhalten mancher Personen des administrativen Personals an Instituten gegenüber BewerberInnen wird als unfreundlich und demotivierend erlebt,

  • Stoffumfang in Geschichte bereitet zwar nicht im Kurs, wohl aber bei der Prüfung große Probleme und wird für viele zum Stolperstein,

  • In einer bestimmten Veranstaltung des Lehrgangs fühlen sich die TeilnehmerInnen gelegentlich in die Rolle von Pflichtschülern versetzt.

  • Auf wichtige Stärken wird viel zu wenig hingewiesen (Wahlmöglichkeiten, Lehrgang zur Einführung in wissenschaftliches Arbeiten)

5.3. Offene Fragen:

  • Ist der "Kulturschock" der PrüfungswerberInnen beim ersten Kontakt mit der Universitätskultur (skeptische Denk- und Fragekultur, Fehlen des zweckrationalen Denkens, Umgang mit Zeit, mit Autorität etc.), die sich in vielen Belangen von der institutionellen Kultur öffentlicher Ämter, aber auch Schulen unterscheidet, ein heilsamer Schrecken oder eine unnötig große Verunsicherung, die ohne weiteres verringert werden könnte?

  • Müßte bei den einzelnen Lehrgängen stärker auf die mitgebrachten Lebenserfahrungen der TeilnehmerInnen eingegangen werden?

  • Ist es sinnvoll, Prüfungen in Freifächern durch Abprüfen von Buchinhalten zu erledigen?

6. Empfehlungen

Erstellung einer Broschüre über Studienmöglichkeiten an der Universität Klagenfurt (Was kann man studieren? Was sind die Inhalte der Studienfächer?) - mit den einschlägigen Anforderungen der Fächer bezüglich Studienberechtigung (vorgeschriebene Pflichtfächer, mögliche Wahlfächer)

  • Institutionelle Verankerung einer professionellen Informations-, Beratungs- und Betreuungsstelle für Angelegenheiten der Studienberechtigung an der Universität
  • Da bei der Bescheiderstellung verwaltungsmäßig Verzögerungen eintreten, wäre es sinnvoll, eine provisorische Teilnahme an Lehrgängen mit Zahlungsbestätigung, aber ohne definitiven Bescheid, zu ermöglichen. Grundsätzlich wäre natürlich eine raschere Bescheiderstellung erstrebenswert.
  • Einrichtung eines Referates für die Studienberechtigung an der ÖH (Lehrgangsteilnehmer zahlen Beiträge!)
  • Stärkerer Hinweis auf den Teillehrgang "Einführung in wissenschaftliches Arbeiten"
  • Wahrnehmung des Rechtes auf passive Teilnahme bei Prüfungen (als Zuhörer)
  • Anreize, Motivationen, Unterstützung durch die Lehrenden bei der Bildung von Studiergruppen.

7. Literatur

ALTRICHTER, H. / POSCH, P.:
Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine Einführung in die Methoden der Aktionsforschung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhart 1990.
FISCHER, R.:
Evaluierung der Lehre als Organisationsaufgabe. ZSfHD 18. Jhg., Heft 3-4/1994, S. 303-310.
GÖTZ, K.:
Zur Evaluierung beruflicher Weiterbildung. Band 1: Theoretische Grundlagen; Band 2: Empirische Untersuchungen. Weinheim: Deutscher Studienverlag 1993.
HOLTKAMP, R. / SCHNITZER, K. (Hrsg.):
Evaluation des Lehrens und Lernens: Ansätze, Methoden, Instrumente; Evaluationspraxis in den USA, Großbritannien und den Niederlanden. Dokumentation der HIS-Tagung am 20. und 21. Februar 1992 im Wissenschaftszentrum Bonn-Bad Godesberg/HIS-GmbH 1992.
LARCHER, D. (1993),
"Zur Präzisierung des Evaluationsbegriffs". In: BAUR, S. (ed), "Corso di formazione: Culture in contatto. Un modello per la formazione degli insegnanti di lingua seconda/Lehrgang: Kulturen in Kontakt. Ein Modell für die Ausbildung von Zweitsprachlehrern". Bolzano/Bozen: Provincia Autonoma di Bolzano, Ufficio Provvidenze Comunitarie/Autonome Provinz Bozen, Amt für EG-Fördermaßnahmen, S. 81-86.
LARCHER, D.:
Die Qualität der SOS-Einrichtungen in den Staaten: Jordanien, Libanon, Syrien und Indonesien. Klagenfurt 1994. (Unveröffentlichtes Manuskript)
LARCHER, D. / Rathmayr, B.:
'Zielbezogene' versus 'zielfreie' Evaluation von Curricula und Unterricht - am Beispiel eines sprachwissenschaftlichen Curriculums. In: FREY, K. u.a. (ed), "Curriculum-Handbuch", Bd. 2, München: Piper 1975, S. 688-700.
STEPHAN, E. / SCHMIDT, W.:
Messen und Beurteilen von Schülerleistungen. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg 1978.
TERHART, E.:
Interpretative Unterrichtsforschung. Stuttgart: Klett-Cotta 1978.

Anmerkungen:

  1. Dieses Syndrom geht auf einen Skatch von Karl VALENTIN zurück, in dem ein Buchbinder sich telefonisch mit seinem Auftraggeber in Verbindung setzt und von einer Stelle zur anderen weiterverbunden wird, ohne die für ihn wichtige Auskunft zu bekommen, wohin er sein fertig gestelltes Produkt liefern soll.



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