InhaltZusammenfassungbestellen
contentabstractorder


Homepage
ZSfHD
 ÖGHD Projekte
HD Ressourcen
Termine
ÖGHD
Suche
Hilfe



Zeitschrift für Hochschuldidaktik Nr. 1-2/1996:
Qualität der Hoschschullehre

Birgit HLADSCHIK, Wolfgang LISCHKA, Georg WEINLÄNDER, Martina HEXEL | Oskar FRISCHENSCHLAGER |

Evaluation eines psychoonkologischen Praktikums für Studierende
Evaluation of A Practical Course for Students in Psycho-Onkology

1. Einleitung

Obwohl etwa ein Drittel der Bevölkerung an Krebs erkrankt und etwa ein Viertel daran stirbt, haftet an Krebserkrankungen immer noch ein gewisses Tabu, das die Kommunikation aller Betroffenen erschwert. Es wird zwar heute kaum mehr bestritten, daß die Mitteilung der Diagnose an den/die betroffene/n Patienten/in1 erfolgen sollte, um ihm eine Auseinandersetzung mit der neuen, durch die Krankheit, durch langwierige Behandlungen veränderten Situation nicht von Vorneherein zu verbauen. Noch in den 80er Jahren hingegen war in Österreich die Meinung weit verbreitet, man würde durch die Mitteilung der Diagnose den Patienten nur unnötig verunsichern und solle ihm Belastungen daher ersparen. Daß es allerdings fast keinem Patienten entgeht, woran er erkrankt ist, daß ein Nicht-Sprechen daher nur den Behandelnden die Beschäftigung mit den Belastungen des Patienten erspart, nicht aber diesem selbst, ist mittlerweile ins Bewußtsein der Medizin eingedrungen. Ja, mehr noch, es wurde verstanden, welche negativen Folgen das Nicht-Sprechen nach sich zieht, insbesondere, wenn man etwa an die Situation zwischen Patienten und Angehörigen denkt, wenn z.B., was häufig vorkommt, beide Teile einander schonen möchten und meinen, daß dies am besten durch Vermeidung des Sprechens über die Situation und alles was mit ihr zusammenhängt gelinge. Meist fällt es allen Beteiligten schwer, Patienten, Angehörigen, wie auch Ärzten, am wenigsten vielleicht noch den Schwestern, über die mit der Erkrankung einhergehenden Ängste, Probleme und Belastungen zu sprechen.

Wir haben aber durch die Forschung der letzten 20 Jahre (Überblick in: KOCH et al 1990, MUTHNY et al 1993), die sich intensiv mit Fragen der Krankheitsverarbeitung in der Onkologie befaßt hat, auch gelernt, in welchem Ausmaß neben der medizinischen Therapie die individuelle Reaktion auf die Belastungen, die Bewältigungskapazität, die soziale Untersützung durch Angehörige aber auch durch Behandelnde von Bedeutung ist, ja sogar den Krankheitsverlauf mitbestimmt (HEIM 1988).

2. Psychosoziale Onkologie

Wollen wir diese Erkenntnisse berücksichtigen, dann folgt daraus, daß eine Reihe von zusätzlichen Aspekten in der Behandlung zu beachten sind. Dazu liegt eine umfangreiche Literatur vor, sodaß wir uns hier auf Stichworte beschränken können. Die Aufgaben einer psychosozial orientierten onkologischen Behandlung bestehen grundsätzlich in der in der individuellen Optimierung der Krankheitsbewältigung.

Dazu müssen von Beginn an eine Reihe von Fragen abgeklärt werden, wie z.B.: was ist der Informationsstand des Patienten zu Diagnose und Therapie, wie geht er mit der neuen Situation um, wie hat er auf bisherige Belastungen reagiert, kann er seine Gefühle ausdrücken, was sind die Bewältigungsformen, mit denen der Patient auf die Situation reagiert, sind sie adaptiv, wieweit erhält er Unterstützung von Angehörigen, wieweit ist er sozial integriert, wie ist die Beziehung/Kommunikation zu/mit Angehörigen, Behandelnden, welche Lebensperspektiven hat der Patient, welche Hoffnungen, welche Erwartungen?

Je nach dem Bild, das sich ergibt, wird an psychologische, psychotherapeutische, psychiatrische oder sozialarbeiterische Interventionen zu denken sein. Auch zu diesen zusätzlichen psychosozialen Interventionen liegen zahlreiche Studien vor, die deren Sinnhaftigkeit und Effektivität, vor allem im Hinblick auf Faktoren der Lebensqualität belegen (Übersichten in: FRISCHENSCHLAGER et al 1992, TRIJSBURG et al 1992). Auch der Einfluß auf den Krankheitsverlauf (Überlebenszeit) ist in Diskussion (z.B.: FAWZY et al 1993), gesicherte Ergebnisse liegen derzeit allerdings noch nicht vor.

Die Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Versorgung bzw. psychologischen Betreuung ist mittlerweile von einem breiten Konsens getragen. Im 1994 novellierten Wiener Krankenanstaltengesetz sind onkologisch Kranke an erster Stelle der Patientengruppen angeführt, für die eine psychotherapeutische bzw. klinisch psychologische Versorgung vorzusehen ist (vor psychiatrischer, psychosomatischen und anderen Patienten mit besonders belastender Krankheits- bzw. Lebensproblematik.

3. Das Unterrichtsprojekt

Die Einbindung von entsprechend ausgebildeten Experten in die onkologische Versorgung macht es erforderlich, bereits den Studierenden gewisse Basiskompetenzen zu vermitteln. Das medizinische Curriculum sieht derzeit 4 Semester-Wochenstunden im Fach Medizinische Psychologie vor, davon nur 1 Semester-Wochenstunde in Form eines Praktikums. In diesen 15 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten kann nur eine Einführung in die elementarsten Voraussetzungen psychosozialer Medizin gegeben werden, weshalb jedwede Vertiefung nur in der Wahlfachausbildung (vertiefte Ausbildung in einem gewählten Fach) erfolgen kann, die als Ersatz für eine Dissertation im Umfang von 3-5 Wochenstunden zu absolvieren ist.

Die Einladung des Leiters der Abteilung für klinische Onkologie an Doz. FRISCHENSCHLAGER, an einer noch aufzubauenden psychologischen Betreuung der Patienten einer der onkologischen Stationen am Wiener Allgemeinen Krankenhaus mitzuwirken, gab den Ausschlag, die Wahlfachausbildung dem Thema der Betreuung von Krebspatienten durch Studierende zu widmen. Die Teilnehmerzahl wurde mit 12 beschränkt, um eine intensive Betreuung der Studierenden zu gewährleisten. Es war geplant, Studierenden der Medizin den Vorrang bei der Teilnahme einzuräumen, letztlich nahmen jedoch jeweils 6 Studierende der Medizin und der Psychologie am Seminar teil.

Zur Einführung wurde in den ersten 3 Wochen des Semesters in intensiver Form psychoonkologische Literatur erarbeitet (etwa 6 Wochenstunden) danach wurde vom Lehrveranstaltungsleiter (Doz. FRISCHENSCHLAGER) mit jedem einzelnen Studierenden gemeinsam ein Erstgespräch mit einem Patienten der genannten Abteilung geführt. Ziel dieser Vorgangsweise war, den Studierenden die Scheu zu nehmen, mit Krebskranken zu kommunizieren und gleichzeitig gewissermaßen modellhaft die Praktizierbarkeit eines einerseits alltagssprachlich geführten und andererseits doch psychologisch geplanten und reflektierten Gesprächs vorzuführen.

Den Patienten wurde mitgeteilt, daß grundsätzlich alle neu an der Station Aufgenommenen zu Gesprächen eingeladen werden, die sich mit ihrer Krankheitssituation befassen. Inhalte dieses semistrukturierten Gespräches waren im wesentlichen die, in diesem Bericht weiter oben angeführten Fragen zur aktuellen Situation (Informationsstand, Belastungen, Perspektiven etc.), zur Krankheitsbewältigung, sozialen Unterstützung durch Angehörige, der biographischen und sozialen Situation. Gleichzeitig wurde angestrebt, Folgegespräche, die nach dem Erstgespräch angeboten wurden, direkt mit dem Studierenden zu vereinbaren, was in nahezu allen Fällen angenommen wurde. Die Studierenden trafen individuelle Terminvereinbarungen mit den Patienten, achteten aber darauf, den Stationsbetrieb nicht zu beeinträchtigen. Rückmeldungen erfolgten an die Schwestern und Ärzte. Dazu konnte auch eine wöchentliche interdisziplinäre Besprechung genutzt werden, an der, eingerichtet auf Initiative von Dr. Weinländer, Schwestern und Ärzte, soweit abkömmlich, weiters der Seelsorger und die Sozialarbeiterin teilnahmen. Diese Besprechung war als Fallbesprechung geplant und von einem Psychotherapeuten supervidiert.

Die eigentliche Supervision der Betreuung erfolgte durch den Leiter des Seminars, wöchentlich 2 Stunden und war fixer, d.h. verpflichtender Bestandteil der Lehrveranstaltung.

Das vorrangige Ziel der Lehrveranstaltung war, die Scheu, mit Krebskranken zu sprechen zu verringern. Medizinstudenten geben in aller Regel an, daß sie in der Diagnosemitteilung, im Gespräch über schwindende Heilungschancen, über das Sterben die schwierigsten ärztlichen Aufgaben erblicken. In den Grundseminaren wird daher sehr häufig die Bearbeitung dieser Themen gewünscht.

Der wöchentliche Zeitaufwand für die Studierenden war beträchtlich. Zu etwa 4 Besuchen von Patienten kam die 2-stündige Supervision, weiters die Rückmeldungen an Schwestern und Ärzte und die gelegentliche Teilnahme an der Fallbesprechung. Darüber hinaus waren die Studierenden angehalten, kurze Protokolle zu erstellen, mit Angaben zu Frequenz, Zeitaufwand und stichwortartigem Inhalt der Gespräche.

4. Die Evaluation der Lehrveranstaltung

Vor und nach dem Seminar, also im zeitlichen Abstand von 4 Monaten wurde ein Fragebogen vorgegeben, mit dessen Hilfe die Einstellung gegenüber Krebs, Angst vor dem Kontakt mit Krebskranken, Vorstellungen von den Bedürfnissen Krebskranker, bisherige Erfahrungen, sowie Erwartungen an das Seminar erhoben wurden. Darüber hinaus wurde bei der Zweitbefragung auch nach der Zufriedenheit mit dem Seminar bzw. nach allfälliger Kritik gefragt.

4.1. Das Erhebungsinstrument

Die Fragebogen, die die Studierenden vor und nach der Lehrveranstaltung ausfüllten, umfassen je 19 Items. Die beiden Fragebogenversionen unterscheiden sich nur hinsichtlich des letzten Items. Der Großteil der Fragen bezieht sich auf persönliche Erfahrungen und Assoziationen der Studierenden mit Krebs. Die Studierenden werden unter anderem ersucht, anzugeben, was ihnen spontan zum Wort "Krebs" einfällt, weiters sollen sie ihre Gefühle dazu angeben. Die Einschätzung der Schwere und Bedrohlichkeit verschiedener Erkrankungen und diverser Belastungen die damit assoziiert werden, werden auf linear analog Skalen mit 100 mm eingegeben. In weiterer Folge werden die Studierenden auch dazu angehalten, sich Gedanken darüber zu machen, was bei der Betreuung von Krebspatienten verbessert werden könnte und sollte und was sie sich in der Betreuung Krebskranker am schwierigsten vorstellen. Zuletzt werden die Teilnehmer/innen noch gefragt, was sie in der Lehrveranstaltung lernen möchten bzw. gelernt haben.

4.2. Die Ergebnisse

4.2.1 Was ist gleichgeblieben?
Frage 4: Was ist für Sie persönlich die schwerste/bedrohlichste Krankheit?

VorherNachher
Aids (7)Aids (8)
bösartiger Tumor/Krebs (4)Krebs (3), Gehirntumor (1)
multiple Sklerose (1)multiple Sklerose (1)
hohe Querschnittslähmung (1)hohe Querschnittslähmung (1)
ein Leiden, das an den Rollstuhl fesselt verbunden mit völliger Hilflosigkeit und Abhängigkeit (1)eine Krankheit, die mich völlig hilflos werden läßt (1)

Es bestehen keine Unterschiede bei der Beantwortung dieser Frage bezüglich ìvorherî und ìnachherî. Es wäre zu überlegen, ob das Ergebnis als gut Retestreliabilität interpretiert werden könnte.

Frage 5: Erinnern Sie sich an das erste Mal, direkt oder indirekt, wie Sie von Krebs gehört haben?

VorherNachher
Verwandte/Angehörige erkrankten (6)Verwandte/Angehörige erkrankten (6)
Bekannte/Freunde erkrankten (1)Bekannte/Freunde erkrankten (1)
Angehörige von Freunden (1)Angehörige von Freunden (1)
als Kind das Wort gehört (1)als Kind das Wort gehört (1)
in der Schule gehört (1)das Wort im Unterricht gehört (1)

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer war das erste Mal im Zusammenhang mit einem Verwandten mit Krebs konfrontiert, weiters durch Bekannte oder Angehörige von Freunden. Nur eine Person gibt an, das erste Mal davon in der Schule gehört zu haben. Keine Unterschiede ergeben sich zwischen den Angaben vor bzw. nach dem Praktikum, was wiederum auf die Verläßlichkeit der Beantwortung hindeuten könnte.

Frage 6: Bewerten Sie bitte anhand der folgenden Polaritäten das erste in der Frage 5 genannte Erlebnis.

Die Befragten wurden ersucht, das in Frage 5 angegebene Ereignis vor aund nach dem Praktikum anhand folgenden semantischen Differentials einzustufen. Bei der Auswertung wurden "positive" Einstufungen mit 7 gewichtet, "negative" mit 1.

gut		x------	x------	x------	x------	x------	x------	x	schlecht	
				1	2	1	3	4	Mw = 2,36	
					2	1	3	4	Mw = 2,10
hilflos		x------	x------	x------	x------	x------	x------	x	kompetent
		7	1	1	2				Mw = 1,82
		4	2	1	3				Mw = 2,33
angstfrei	x------	x------	x------	x------	x------	x------	x	ängstlich
					1	2	4	3	Mw = 2,45	
					1	3	3	3	Mw = 2,80
ekelhaft	x------	x------	x------	x------	x------	x------	x	nicht ekelhaft
			3	1	4		1	1	Mw = 3,45
				2	3	1	3	1	Mw = 4,80
lebendig	x------	x------	x------	x------	x------	x------	x	tot
			2	1	2	1	1	3	Mw = 3,00
			1	1		5		3	Mw = 2,90
traurig 		x------	x------	x------	x------	x------	x------	x	nicht traurig
		4	2	2	2				Mw = 2,00	
		4	3	2		1			Mw = 2,10
anziehend	x------	x------	x------	x------	x------	x------	x	abstoßend
			1	2	1	2	1	3	Mw = 2,82	
					4	3	2	1	Mw = 3,00
tabuisiert	x------	x------	x------	x------	x------	x------	x	besprechbar
		2	3	1	1	2	1	1	Mw = 3,45
		2	4	2			1	1	Mw = 2,90
bedrohlich 	x------	x------	x------	x------	x------	x------	x	nicht bedrohlich
		5	4	1					Mw = 2,00
		3	4	3					Mw = 2,00
vorher:		n = 11 		Mw = 2,48		
nachher:	n = 10 		Mw = 2,77

Nach entsprechender Polung der Items verändert sich die Bewertung des angegbenen Ereignisses zwischen "vorher" und "nachher" nicht.

Frage 7: Haben Sie konkrete Erfahrungen mit Krebskranken?

Frage 8: Wenn ja, welche ?

Acht Teilnehmer gaben bereits vor dem Praktikum konkrete Erfahrungen mit Krebskranken an. 5 Personen waren auf einer Krebsstation als Pfleger oder Farmulant tätig, eine Person gab die Betreuung einer krebskranken Person außerhalb des Spitales an , vier waren durch den Tod einer bekannten oder verwandten Person konfrontiert.

Frage 9: Welche Gefühle löst diese Erinnerung bei Ihnen aus?

Die Befragten geben hiezu Gefühle der Hilflosigkeit, Trauer, Angst, Unsicherheit, Wut, Befangenheit aber auch Hoffnung, Bewunderung des Mutes der betroffenen Personen und bei der Befragung "nachher" Neugier, Belastung und Interesse an. Es gibt kaum Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Befragugszeitpunkten.

Bezüglich der Einschätzung und Bewertung historischer Erlebnisse haben sich im Laufe der lehrveranstaltung keine Veränderungen ergeben. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, daß0 die Items sorgfältig beantwortete wurden und das Testinstrument als verläßlcih angesehen werden darf.

4.2.3 Was hat sich verändert?

Frage 1: Was fällt Ihnen spontan zum Wort "Krebs" ein ?

Vor dem Praktikum assozierten die Probanden mit dem Begriff "Krebs" vor allem eine schwere und unheilbare Krankheit, verbunden mit Schmerzen, Leiden, Chemotherapie, Strahlentherapie, Krankenhausaufenthalt, Sterben und Tod. Es finden sich nur sehr wenige differenziertere bzw. auf persönlichen Erfahrungen beruhende Begriffe. Nach dem Praktikum verbinden die Teilnehmer mit dem Wort "Krebs" neben den nach wie vor sehr im Vordergrund stehenden Begriffen "schwere Krankheit, Sterben ,Tod, Chemotherapie" auch weitere Begriffe, die auf die persönlichen Erfahrungen und Kontakte während des Praktikums hindeuten: "Neubeginn, Anfang, Leugnen der Realität, darüber sprechen wollen ohne andere zu belasten, Auseinandersetzung mit dem Sterben, Berührungsängste haben abgenommen, u.a"

Frage 2: Welche Gefühle löst das bei Ihnen aus ?

Angst wird von den Teilnehmern vor dem Praktikum am häufigsten angegeben. (11 Nennungen). Während des Praktikums nimmt die Angst, verbunden mit dem begriff "Krebs" deutlich ab. Die Gefühle von Hilflosigkeit, Machtllosigkeit, Befangenheit, Mitleid und Schreken wandeln sich in Verwirrung, Unsicherheit, Verständnis,den Wunsch zu intervenieren und Hoffnung. Der persönliche Kontakt zu den Patienten zeigt sich in den verbalisierten Gefühlen, die nach dem Praktikum weniger angstbesetzt scheinen und differenzierter sind.

Frage 3: Geben Sie bitte Ihre persönliche Einschätzung von der Schwere bzw. Bedrohlichkeit der Krebserkrankung auf der folgenden Skala.

Die Studenten wurden ersucht Ihre Einschätzung auf einer Linear-Analog-Skala von 10 cm anzugeben. Ergebnis:

0----------------------------------------------x------x----------100
                                             69,80  82,36
Mittelwert                                  nachher vorher

Standardabweichung:	vorher 	=   9,38
           	       nachher 	=  16,77

Die Einschätzung der Schwere, bzw. der Bedrohlichkeit der Krebserkrankung hat bei den Teilnehmern im Laufe des Praktikums abgenommen.

Frage 10: Was sind Ihrer Meinung nach die besonderen Belastungen, die mit einer Krebserkrankung einhergehen ?

Als besondere Belastungen werden vor dem Praktikum häufig die Angst vor den Behandlungen und deren Folgen gesehen, weiters die Konfrontation mit dem Sterben und dem Tod; Schmerzen und Verstümmelungen werden auch öfters angegeben. Nach dem Praktikum kommen Ängste vor offener Kommunikation, Informationsmangel und die Auseinandersetzung mit dem bisherigen Leben und der Krankheit an sich dazu. Die Antworten sind nach dem Praktikum etwas differenzierter und beziehen sich mehr auf persönlichere Erfahrungen. Schmerzen und die Konfrontation mit dem Sterben und die Angst davor werden vorher und nacher als große Belastungen eingeschätzt.

Frage 11: Welches Gewicht haben die im Folgenden genannten Belastungen?

Die Teilnehmer wurden ersucht, folgende Begriffe anhand einer siebenstufigen Skala zu bewerten. Die Zahlen unterhalb jeder Skala geben an, wieviele Personen die entsprechende Gewichtung angekreuzt haben, haben, wobei in der ersten Zeile die Ergebnisse der ersten Befragung angeführt sind, in der zweiten die der Befragung nach dem Praktikum. Rechts daneben stehen die entsprechenden Mittelwerte.

Operationen	1------	2------	3------	4------	5------	6------	7					
				3	3	4	1	Mw = 5,27
			1	2	4	2	2	Mw = 4,90
Diagnostische Eingriffe	1------	2------	3------	4------	5------	6------	7
		3	2	1	5			Mw = 3,72
			3	3	5			Mw = 4,12
Chemotherapie	1------	2------	3------	4------	5------	6------	7
					1	3	7	Mw = 6,63
				2	2	4	3	Mw = 5,72
Strahlentherapie
	1------	2------	3------	4------	5------	6------	7
		1	1	2	3	2	2	Mw = 4,72
			1	2	3	3	2	Mw = 5,72
ungewisse Prognose
	1------	2------	3------	4------	5------	6------	7
			1 	1	1	5	6 	Mw = 5,45
						6	5	Mw = 6,45
Schmerzen
	1------	2------	3------	4------	5------	6------	7
				2	2	4	3	Mw = 5,72
				1		9	1	Mw = 5,90
Chronizität der Erkrankung
	1------	2------	3------	4------	5------	6------	7
				1	1	3	6	Mw = 6,72
				1	3	2	5	Mw = 6,00
Verstümmelungen
	1------	2------	3------	4------	5------	6------	7
				1	2	2	6	Mw = 6,18 				1	3	5	2	Mw = 5, 72
Sonstiges
	1------	2------	3------	4------	5------	6------	7
				1	1	2	3	
ad Sonstiges:
Vorher:	anonymes Spitalsklima 1x7
Nachher: 	Mißstände im Leben des Patienten 1x7
		nicht offen darüber sprechen können 1x7
		Alleingelassen sein 1x6

Vor dem Praktikum wird die "Chemotherapie" als größte Belastung angesehen, als geringste die "diagnostischen Eingriffe". Nach dem Praktikum stufen die Praktikanten die "ungewisse Prognose" am höchsten ein, am geringsten wieder die "diagnostischen Eingriffe", jedoch sind die Unterschiede zw. Vorher und Nachher eher gering.

Frage 12: Was meinen Sie, sind die spezifischen Bedürfnisse Krebskranker?

Während vor dem Praktikum die Linderung der Schmerzen von mehr als der Hälfte der Teilnehmer als spezifisches Bedürfnis Krebskranker gesehen wird, steht nach dem Praktikum der kommunikative Aspekt sehr stark im Vordergrund. Die gewonnenen Erfahrungen spiegeln sich in folgenden, exemplarisch angeführten Nennungen: "Schmerz, Ärger, Zorn zulassen dürfen; psychische Unterstützung; als Mensch behandelt werden; wissen, daß jemand für einen da ist, egal in welcher Verfassung man sich befindet; Vertrauensperson für offene Gespräche" u.ä..

Frage 13: In welchem Prozentsatz werden diese Bedürfnisse Ihrer Meinung nach in der stationären Versorgung abgedeckt ?

Die Befragten schätzten ihre Meinung dazu sowohl vor als auch nach dem Praktikum auf einer linear-analog-Skala von 10 cm Länge ein.

0-------------x-----------x--------------------------------------100
            22,64       41,64
Mittelwert  vorher     nachher 
vorher:     4 / 6 / 11 / 12 / 15 / 17 / 20 / 25 / 27 / 50 / 62
            Mw = 22,64; 		s =18,15
nachher:    8 / 10 / 15 / 18 / 35 / 46 / 59 / 60 / 62 / 63 / 82
            Mw = 41,64;  s = 25,70

Nach den persönlichen Erfahrungen auf der Klinik meinten die Praktikanten, daß die Bedürfnisse in der stationären Versorgung zu einem größeren Prozentsatz abgedeckt werden, als vorher.

Frage 14: In welchem Prozentsatz vom Hausarzt?

0-----------------x-x---------------------------------------------------100
                 28 33
Mittelwert   vorher nachher 
vorher:  7 / 11 / 15 / 17 / 23 / 29 / 30 / 39 / 40 / 45 / 52	
         Mw = 28;  s = 14,76
nachher: 15 / 21 / 28 / 28 /  32 / 32 / 32 / 37 / 38 / 50 / 50
         Mw = 33;  s = 10,68

Während vor dem Praktikum dem Hausarzt ein größererer Prozentsatz zugeschrieben wird, liegt nach dem Praktikum die stationäre Versorgung in der Beurteilung vorne. Jedoch werden sowohl die stationäre Versorgung, als auch die Betreuung durch den Hausarzt besser eingsetuft.

Frage 15: Was könnte Ihrer Meinung nach in der stationären Betreuung mehr getan werden?

Nach der Meinung der Praktikanten sollte die psychologische und psychotherapeutische Betreuung und Unterstützung der Patienten in der stationären Versorgun forciert werden. Die Antworten sind nach dem Praktikum differenzierter und erfahrungsbezogener und noch stärker auf den kommunikativen Aspekt der Betreuung bezogen. Unter anderem werden genannt: " psychologische und psychotherapeutische Betreuung, Einghen auf den Patienten, Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang mit Patienten, Angehörige miteinbeziehen,Teamarbeit, Supervision, Schaffung von Rückzugmölichkeiten, mehr Dialog zw. Patientzen und Ärzten."

Frage 16: Was meinen Sie, was Sie persönlich tun können, um die Belastungen Krebskranker zu reduzieren ?

Vor dem Praktikum sehen sich die Teilnehmer v.a allem als Gesprächspartner und Zuhörer, die Informationen geben, Emphatie zeigen und die Hand halten. Nach dem Praktikum steht weiterhin der Dialog als Methode der Wahl im Vordergrund, jedoch sind die Hilfsangebote spezifischer und detailierter angeführt. Exemplarisch werden hier genannt: " Hilflosigkeit und Ängste mittragen können; zum Abbau der Tabuisierung beitragen; Vertrauensperson sein; bei der Bewußtmachung von Problemen helfen; Hilfestellung bei der Erarbeitung von Copingstrathegien".

Frage 17: Wie groß schätzen Sie Ihre konkrete Angst vor dem Kontakt mit krebskranken Patienten ein ?

Die Beantwortung der Frage erfolgte anhand einer linar-analog-Skala von 10 cm Länge.

0---------x-------------------x---------------------------------100
        16,8                48,3
   	  nachher  Mittelwert   vorher              
vorher:   16 / 18 / 35/ 38 / 49 / 50 / 50 / 67 / 69 / 91
          Mw = 48,3;   s = 23,22
nachher:  5 / 10 / 10 / 11 / 15 / 17 / 17 / 21 / 30 / 32
          Mw = 16,8;   s = 8, 57

Durch den persönlichen Kontakt mit den krebskranken Patienten auf der Station hat die Angst vor dem Kontakt deutlich abgenommen.

Frage 18: Was in der Betreuung Krebskranker stellen Sie sich am schwierigsten vor?

Vor dem Praktikum sehen viele Teilnehmer eine groþe Schwierigkeit darin, der Krankheit gegenüber rat-und machtlos zu sein, weiters das Leiden der Patienten mitansehen zu müssen, Verzweiflung, Ängste und Endtäuschungen auszuhalten, den Umgang mit terminalen Patienten, die Kontaktaufnahme mit den und die Motivation der Patienten, den Umgang mit Angehörigen und ein mögliches Fehlverhalten bedingt durch die eigene Unsicherheit. Nach dem Praktikum werden weniger Schwierigkeiten angeführt, die Antworten sind weniger vielfältig jedoch mehr auf Selbsterfahrung beruhend wie z.B.: "akzeptieren, daß Intervention nicht in jedem Fall sinnvoll ist, die Belastungen miterleben und damit umgehen, Eingehen auf den Einzelnen, nicht suggestiv sein und die Auseinandersetzung mit dem Tod."

Die nun folgenden Fragen unterscheiden sich bezüglich ihrer Formulierung in den Fassungen "vorher" und "nachher":

Frage 19: Was möchten Sie in dieser Lehrveranstaltung erfahren und lernen?
Die Teilnehmer wurden ersucht hier einige persönliche Ziele zu nennen.

Der Großteil der Teilnehmer erwartete sich vom Besuch der Lehrveranstaltung das Erlernen einer allgemeinen Gesprächsführung mit Schwerkranken, den Abbau der eigenen Ängste und Selbsterfahrung in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten und Grenzen. Weiters war der Erfahrungsaustausch mit anderen Praktikumsteilnehmern erwünscht, der durch die regelmäßige Supervision gewährleiste war.

Frage 20: Was haben Sie in der Lehrveranstaltung gelernt ?

Die meisten Teilnehmer geben an, daß sie durch das Praktikum ihre eigenen Fähigkeiten und Grenzen kennengelernt haben, weiters haben die Berührungsängste abgenommen und die eigenen hohen Ansprüche wurden relativiert. Einige weisen auf die Wichtigkeit einer geziehlten psychologischen Betreuung hin.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Bezüglich der Beantwortung und Bewertung historischen Erfahrungen zeigen sich keine Unterschiede zwischen "Vorher" und "Nachher", was auf eine hohe Verläßlichkeit in der Beantwortung der Items und somit auf eine gute Retestreleabilität hindeutet. In einigen Bereichen zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede, es geht hier vor allem um die Angst vor dem Kontakt mit Krebspatienten, die während des Praktikums deutlich abgenommen hat. Gerade dieser Aspekt, wird von uns als ein großer Gewinn der praxisorientierten Unterrichtsgestaltung gewertet. Es kann nur von Vorteil für Patienten und künftige Mediziner und Psychologen sein, wenn letztere mit weniger Angst und Tabus ans Krankenbett treten. Was die Einschätzung der Bedürfnisse und Belastungen der Patienten betrifft, stehen Vorstellungen und Phantasien in deutlichem Kontrast zu den gewonnen Erfahrungen. Als wesentliche Belastung sehen die Studenten nach dem Semester den Mangel an Kommunikation und setzen hier auch mit Veränderungsvorschlägen an.

Die Lehrveranstaltung wurde von den Studenten durchwegs als zielführend bewertet und hat neben einem großen Teil an Selbsterfahrung auch wesentlich zum Abbau von Berührungsängsten beigetragen. Weiters wird den psychischen Belastungen und dem Bedürnis nach offener Kommunikation der Patienten nach dem Praktikum ein hoher Stellenwert eingeräumt, was sich auch in dem Wunsch nach einem Ausbau der gezielten psychologischen und psychotherapeutischen Versorgung äußert.

An Veränderungen wünschten sich die Studierenden mehr theoretische Einfühung in die Gesprächsführung, was im laufenden Semester vom Lehrveranstaltungsleiter bereits berücksichtigt wird.

Weiters fühlten sich einige Studenten bezüglich des Stationsalltages etwas verunsichert und wünschten sich eine stätkere Einbindung in das Team. Nachdem Frau Mag. HLADSCHIK seit Juni 1995 an der onkologischen Station der Klinik für innere Medizin I, des AKH Wien, Vorstand Prof. Dr. H. HUBER als klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin tätig ist, ist die Betreuung der Student/innen an der Station und somit eine stärkere Einbindung in den Stationsalltag verstärkt möglich.

Weiters sind die Studierenden eingeladen, an den wöchentlichen Supervisionsrunden teilzunehmen.

Obwohl die Stichprobe nicht als representativ für die Population der Medizinstudenten und der Psychologiestudenten gesehen wird, schätzen wir die Einstellungsveränderungen bei den betroffenen Studenten als stabil ein, da sie auf konkreten persönlichen Erfahrungen beruhen.

6. Literatur

FAWZY FI, FAWZY NW, HYUN CS, ELASHOFF R, GUTHRIE D, FAHEY JL, MORTON DL (1993):
Malignant Melanoma-Effects of an early structured psychiatric intervention, coping, and affective state on recurrence and survival 6 years later. Arch Gen Psychiatry, vol 50, Sep, 681-689.
FRISCHENSCHLAGER, O., BRÖMMEL, B., RUSSINGER, U. (1992):
Zur Effektivität psychosozialer Betreuung Krebskranker - eine methodenkritische Literaturübersicht. Psychother. psychosom. Med Psychol 42, 6, 206-213.
HEIM, E. (1988): Coping und Adaptivität:
Gibt es geeignetes oder ungeeignetes Coping? Psychother. med Psychol. 38, 8-18.
KOCH, U., POTRECK-ROSE, F. (Hr.) (1990):
Krebsrehabilitation und Psychoonkologie (Springer) Berlin, Heidelberg etc.
MUTHNY, F.A., HAAG, G. (Hg) (1993):
Onkologie im psychosozialen Kontext. (Asanger) Heidelberg.
TRIJSBURG, RW., KNIPPENBERG, F.C.E. van, RIJPMA, S.E. (1992):
Effects of psychological treatment on cancer patients: a critical review. Psychosomatic Medicine 54: 489-517.

Fußnoten:

  1. Im weiteren Text wird, der flüssigen Lesbarkeit wegen die konventionelle Maskulinform verwendet.



zum Anfang
Anfang der Seite / top of page


[ Bestellen | order | [ Zusammenfassung | abstract | [ Autoren | authors
[ Inhalt | contents |


[ Home | ZSfHD | ÖGHD Projekte | Links | Termine & News | ÖGHD | Suche |