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Zeitschrift für Hochschuldidaktik Nr. 1-2/1996:
Qualität der Hoschschullehre

Johannes FRUHWIRTH |

Qualitätszirkel als Instrument zur Sicherung und Verbesserung des Standards universitärer Lehrveranstaltungen
Quality Control Circle - A Tool for Quality Assurance and Improvement of University Course Standards

Einleitung

Die Unzufriedenheit in der universitären Ausbildung wird von den betroffenen Medizinstudenten, aber auch von den unzureichend auf die Aufgabenstellungen in der praktischen Berufsausbildung vorbereiteten promovierten Medizinern immer offener zum Ausdruck gebracht und fließt in die öffentliche Diskussion ein.

Die publizistische und politische Diskussion brachte die Hochschuldidaktik in den Blickpunkt öffentlichen Interesses. Qualitätsaspekte des Medizinstudiums gewinnen zunehmend an Bedeutung und haben mit dem Auftrag zur Evaluation von Lehrveranstaltungen Eingang in die Gesetzgebung gefunden.

Mängel in der Strukturqualität der Unterrichtsdurchführung im Medizinstudium werfen die Frage auf, welche Maßnahmen zu einer Verbesserung der methodischen und didaktischen Aufbereitung universitärer Lehre führen können.

Evaluation der Lehre

Die Evaluation der Lehre kann dabei sowohl auf der Ebene einzelner Lehrveranstaltungen als auch im Rahmen eines Studienlehrganges als ein Steuerungsinstrument, das eine Orientierung ermöglicht, betrachtet werden. Die Evaluation hat die Aufgabe, den laufenden Prozeß zu unterstützen, den beteiligten Personen Zwischenergebnisse und Rückmeldungen zu liefern, um daraus Organisationsentscheidungen im Sinne eines Veränderungsmanagements zu treffen. Diese Veränderungen zielen in erster Linie auf eine Verbesserung oder Umverteilung personeller und materieller ressourcen und auf eine Steigerung der Durchführungsqualität von Lehrveranstaltungen ab. Die stufenweise Prozeßevaluation von Lehrveranstaltungen soll bei den Hochschullehrern zu einer bewußteren Reflexion der Planung und Durchführung ihrer Aufgaben führen.

Die Evaluation der Lehre sollte sich aber nicht nur auf die Zufriedenheit der Studierenden mit Lehrveranstaltungen beschränken. Qualität der Lehre muß auch Aspekte wie Internationalisierung, Kooperation mit der Wirtschaft, Ausbau der Fachhochschulen, Einführung von Wettbewerbselementen, Ausbau der Hochschulautonomie, Regelung des Hochschulzuganges und Einführung marktwirtschaftlicher Elemente beinhalten.

Evaluation darf nicht Selbstzweck sein, entscheidend ist die Überführung der Ergebnisse in die Entwicklung und konsequente Änderung von Rahmenbedingungen.

Qualitätssicherung

Qualitätszirkel als Verarbeitungsinstrument von Evaluationsergebnissen können ein möglicher Ansatz zur professionellen Selbstkontrolle und konstruktiven Weitrerentwicklung sein.

Nach dem zweiten Weltkrieg galt japanische Ware auf dem Weltmarkt als minderwertig. Der Oberkommandierende der amerikanischen Streitkräfte, General MCARTHUR, setzte den Statistiker Edward J. DEMING zur Installierung einer statistischen Qualitätskontrolle in der japanischen Industrie ein. Die Medien verhalfen der Idee zum Durchbruch, und Qualitätskontrolle wurde bald als nationale Aufgabe verstanden. Der Autokonzern Toyota perfektionierte vor zwanzig Jahren das "Management of Quality Control". Eines der Hauptinstrumente dieser Qualitätssicherung ist der "Quality Control Circle".

Gestaltungselement Qualitätszirkel

Der Grundgedanke dieses Ansatzes ist, die Kreativität und das Engagement der Mitarbeiter zur aktiven Gestaltung und Verbesserung des Arbeitsprozesses zu nützen. Die Qualitätszirkel sind weniger eine Methode der Mitarbeiterkontrolle als ein Instrument der Personalentwicklung. Sie dürfen auch nicht als bloßes Rationalisierungsinstrument mißbraucht werden. Damit kommt klar zum Ausdruck, daß sich die Bemühungen im Qualitätsmanagement auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehen, indem diese als die wertvollste Ressource der Oranisation anerkannt werden. Eine aktive Einbeziehung der unmittelbar betroffenen Personen in den Verbesserungsprozeß garantiert die Motivation, welche Grundvoraussetzung für jede positive Veränderung ist.

Erfolgreiche Qualitätszirkel werden davon geleitet, fortwährend jeden Prozeß zu verbessern (continuous quality improvement), um auf die höchste Ebene der Qualität zu kommen oder hier zu bleiben. Sie sind in der Lage, Veränderungen in den Bedürfnissen und Erwartungen der Kundschaft (in diesem Fall der Studierenden) zu erkennen. Dabei soll nicht nur auf das Schlußresultat, sondern auch auf die einzelnen Schritte innerhalb des Prozesses gezielt werden.

Charakteristik des Qualitätszirkels (QZ)

In der Definition von DEPPE ist ein QZ gekennzeichnet durch:
  • eine auf Dauer angelegte Kleingruppe,
  • in der Mitarbeiter einer hierarchischen Ebene
  • mit einer gemeinsamen Erfahrungsgrundlage
  • in regelmäßigen Abständen
  • auf freiwilliger Basis zusammenkommen,
  • um Themen des eigenen Arbeitsbereiches zu analysieren
  • und unter Anleitung eines geschulten Moderators
  • mit Hilfe spezieller Problemlösungs- und Kreativitätstechniken (Brainstorming, Brainwriting; Methoden, die mit Hilfe der Phantasie und der Assoziation originelle und unkonventionelle Ideen fördern)
  • Lösungsvorschläge zu erarbeiten,
  • diese Vorschläge selbständig oder im Instanzenweg umzusetzen
  • und eine Ergebniskontrolle vorzunehmen,
  • wobei der QZ zu den anderen Ebenen Kommunikationsbeziehungen unterhält.

Bei der Installierung des QZ werden folgende Phasen durchlaufen:

1. Informationsphase:

  • Informationssammlung und Auswertung (Evaluation der Lehre);
  • Techniken der Datenermittlung: Checklisten, Fragebogen, Strichlisten, Fehlersammelkarten, Interviews als Grundlage der späteren Analyse der Lehrveranstaltungen; die Daten sollen vollständig und systematisch erfaßt werden
.

2. Versuchsphase:

  • Vorbereitungsphase,
  • Information und Einbeziehung der Führungskräfte,
  • Bildung eines Steuerungsteams,
  • Auswahl eines Koordinators (Studiendekan),
  • Erarbeiten eines Programmkonzeptes für das Pilotprojekt,
  • Entwicklung von Ausbildungsunterlagen

3. Durchführungsphase:

  • Durchführung und
  • Auswertung des Pilotprogramms,
  • Entscheidung über Programmausweitung

4. Sicherungsphase:

  • Durchführung von Erhaltungs- und Sicherungsmaßnahmen

Probleme bei der Einrichtung der QZ faßt ANTONI wie folgt zusammen:

  • Fehlende Unterstützung durch die Führungskräfte,
  • Rollenkonflikte der QZ Mitglieder,
  • unzureichende Rückmeldung und Umsetzung der Lösungsvorschläge,
  • unzureichende Teilnahmemotivation,
  • in der konflikthaften Startphase werden oft externe Berater (change - agents) gebraucht, die Organisations- und Strukturbarrieren überwinden helfen.

Qualitätszirkel an der Universität

Das ursprünglich für den Produktionsbereich mit der klassischen Methode der Fließbandfertigung entwickelte Konzept des QZ ist prinzipiell auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens (Erziehung, Schulen, Universitäten) übertragbar. Im Universitätsbereich ist es notwendig, sich mit neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen, die das Bild von Lehrveranstaltungen grundlegend verändern werden.

Zu nennen ist der zunehmende Rationalisierungsdruck (Stichwort: Kostenexplision, Studiengebühren), die Unzufriedenheit mit Angebot und Abwicklung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen (hohe Rate an Studienabbrechern), der Einsatz neuer Medien (Internet) und anderes mehr.

Es ist daher unumgänglich, in die Evaluation auch eine Kosten - Nutzen - Analyse auf wissenschaftlicher Grundlage einzubeziehen. Der Nutzen ergibt sich aus dem Wirkungsgrad und dem Zielerreichungsgrad der universitären Lehrveranstaltungen.

Qualität läßt sich aber gerade in der Arbeit mit Menschen nicht verordnen oder hineinprüfen, häufig läßt sie sich nicht einmal genau definieren oder gar messen.

Die Erfahrungen in anderen Bereichen geben zur Hoffnung Anlaß, daß QZ ein geeignetes Verfahren zur Steigerung der Effizienz und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sein können. Sie sind ein probates Mittel zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität, der Arbeitsqualität, der innerbetrieblichen Kommunikation, zur effizienteren Gestaltung organisatorischer Abläufe, und sie bewirken eine erhöhte Identifikation des Lehrpersonals mit der Universität (Corporate Identity). An Stelle drohender Sanktionen bleibt den betroffenen Hochschullehrern ein kreativ zu nützender Handlungsspielraum, um auf Basis der Evaulationsergebnisse eine positive Entwicklung einzuleiten.

Qualitätssicherung, die sich nicht allein in der Erarbeitung von Unterrichtsstandards erschöpft, sondern sich ständig dynamisch weiterentwickelt, ist geeignet, die Zufriedenheit aller Beteiligten zu steigern.

Qualitätsverbesserung mit Hilfe von Qualitätszirkeln beschränkt sich nicht auf die Produkt- oder Dienstleistungsqualität, sondern berücksichtigt vor allem die Prozeßqualität im Sinne einer "Quality of Working Life".

Literatur:

ANTONI, C., BUNGARD, W., LEHNER, E. (1992):
Qualitätszirkel und ähnliche Formen der Gruppenarbeit in der Bundesrepublik Deutschland: Eine Bestandsaufnahme der Problemlösungsgruppenkonzepte bei den 100 umsatzgrößten Industrieunternehmen. BUNGARD 1992, 109 - 138
BATALDEN, P. (1989):
Quality Improvement: The Role and Application of Research Methods. The Journal of Health Administration Education 7, No. 3, 577 - 583
DEPPE, J. (1988):
Ideenmanagement durch Gruppenarbeit. Gablers Magazin 3, 14 - 18
HOPFENBECK, W. (1992):
Allgemeine Beriebswirtschafts- und Mangementlehre, 6. Aufl., 285 - 296, Landsberg am Lech: Verlag Moderne Industrie
Imai M. KAIZEN (1986):
The Key of Japan's Competitive Success. New York, N.Y.: Random House
MCLAUGHLIN, C.P., KALUZNY, A.D. (1990):
Total qualitymanagement in health: making it work. Health Cara manage Rev. 15 (3), 7 - 14
RITTER, A. (1992):
Qualitätszirkel als Instrument partizipativer Arbeitsgestaltung. In: BUNGARD 1992
ROSSI, P.H., FREEMAN, H.E., HOFMANN, G. (1988):
Programm - Evaluation. Enke - Verlag Stuttgart



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