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Zeitschrift für Hochschuldidaktik Nr. 1-2/1996:
Qualität der Hoschschullehre

Qualitätsmanagement des Medizinunterrichts

Florian Eitel (München, Deutschland)

1. Problemstellung

Weltweit ist eine zunehmende Diskussion über die Qualität der Lehre in der Medizin 1, | 2, | 3 zu beobachten. Reformansätze werden in immer kürzeren Zeitabständen publiziert. Der Zustand der Medizinlehre wird als Ausbildungsmisere charakterisiert 3,  | 4. Ein Blick in die Geschichte der Studienreform 3 zeigt, daß Reformaktivitäten im Medizinstudium nichts Ungewöhnliches sind. Jede Hochschullehrergeneration hatte ihre Reformer und Reformen. Die Approbationsordnung in Deutschland wurde seit 1970 im Schnitt alle 3 Jahre novelliert. Diese Umstände zeigen, daß es sich offenbar um ein vertracktes Problem handelt, dessen Ursachen nicht klar zu Tage liegen, vermutlich also verborgener Natur sind, und damit schwer zugänglich bleiben.

Die nähere Betrachtung des Schrifttums ergibt tatsächlich eine Reihe von Strukturdefiziten in der derzeitigen medizinischen Ausbildung, die im folgenden kurz erläutert werden sollen:

1.1. Operational definierte Ausbildungsziele fehlen

Wer eine Unterrichtsveranstaltung plant, wird zunächst versuchen, sich darüber klar zu werden, was er mit dem Unterricht erreichen will, d. h., was zu tun die Studenten am Ende der Unterrichtszeit in der Lage sein sollen (Planung des Lernerfolges in beobachtbaren, prüfbaren = operational definierten Dimensionen).

1.2. Lerninhalte sind zum Teil irrelevant.

Das Schlagwort von der "Entrümpelung" des Lehrstoffes ist gemeinhin bekannt. Die Stoffmenge nimmt exponentiell zu. Die Halbwertszeit medizinischen Wissens liegt angeblich bei etwa 7 Jahren. Die Aufnahmekapazität der Lernenden begrenzt. Die Lernzeit ist zwar lang, aber auch begrenzt. Die Einheitlichkeit des Arztbildes steht in Frage: Es besteht kein Konsens darüber, welche Stoffinhalte die basale ärztliche Qualifikation ausmachen.

1.3. Die Effizienz der Unterrichsformen ist (noch nicht) in der Diskussion.

Problembasiertes Lernen wird als Allheilmittel in zahlreichen Publikationen und in sich zunehmend entwickelnden elektronischen Bulletin Boards im Internet (PBL-List) für Reformansätze empfohlen oder angewandt. Nur vereinzelt wird dies als ungeeignete, da monokausale, Problemlösungsstrategie gesehen 3.

1.4. Die Validität des Prüfungssystems ist fraglich.

Die in Deutschland selektionierend verwendeten Multiple-Choice-Prüfungen sind nicht geeignet, ärztliche Performanzen abzuprüfen. Es wird mehr und mehr klar, daß hier ein wesentliches Defizit der Medizinerausbildung liegt: Frisch Approbierte wissen zwar eine Menge theoretischer Inhalte, erleiden aber nach der Approbierung einen Praxisschock, da sie ihr Wissen nicht in zufriedenstellendem Umfang anzuwenden in der Lage sind. Insofern ist das Erlernen ärztlicher Performanzen aus der Ausbildung ausgelagert und in die Facharztweiterbildung nach der Approbation verlegt. Die dann dort stattfindenden, mündlich unstrukturierten Prüfungen sind nicht nur invalide, sondern auch nicht reliabel. Ein weiteres Defizit ist: Eine systematische Evaluation der Unterrichtsdurchführung findet in Deutschland nicht statt. Das Prüfungs- und Bewertungssystem kann deshalb nur als unprofessionell bezeichnet werden.

1.5. Der Lernstil der Lerner ist zwar effektiv

in Bezug auf die Akquisition von erfolgreichen Examensroutinen, in Bezug auf in der Praxis anwendbares Wissen aber ineffizient. Die überwiegende Mehrzahl der Medizinstudenten lernt auf die Prüfungen, die ihrerseits nicht geeignet sind, transferierbares Wissen abzufragen. Es ist von den Medizinstudenten aus gesehen nicht dumm, angesichts des bestehenden invaliden Prüfungssystems auf das hin zu lernen, was vom MC-Prüfungssystem abgeprüft wird, und eben sich nur am Rande mit den klinischen Algorithmen, dem anwendbaren Fachwissen, zu beschäftigen.

1.6. Eine Ausbildung der Ausbilder fehlt.

Nur vereinzelt findet eine Personalentwicklung für die Lehre statt. Kurse für ein Teacher´s-Training sind Seltenheit und unsystematisch. Mit Verleihung der venia legendi wird angenommen, daß auch didaktische Kompetenz beim Hochschullehrer besteht.

Die Frage, die sich auch die vorliegende Untersuchung stellt, ist wie folgt: Wie kann man diese Strukturdefizite angehen?

2. Methodik

Der vorliegende Artikel beschreibt im Sinne einer Fallstudie den strukturbezogenen Reformansatz des Münchner Curricularen Reformprojektes (M-CIP). Die diesem Projekt zugrundeliegende Hypothese ist, daß die Verknüpfung von Maßnahmen des Qualitätsmanagements mit der Unterrichtsorganisation zu einer strukturellen Verbesserung und damit zu einer Beseitigung der genannten Strukturdefizite führt. Allerdings kann diese Hypothese in der vorliegenden Arbeit nicht bewiesen werden. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist vielmehr, diesen Ansatz zur strukturellen Verbesserung näher zu beschreiben im Sinne einer Hypothesenbildung.

3. Das Münchner Curriculare Innovationsprojekt (M-CIP) - eine Fallbeschreibung

Ziel des M-CIP ist, im industriellen Sektor bewährte Qualitätsmanagement-Maßnahmen auf die Unterrichtsorganisation in der Medizin zu übertragen 5.

3.1. Wie wird im M-CIP Qualitätsmanagement definiert?

Das Problem ist, daß Qualitätsmanagement zwar in aller Munde ist, dieser Begriff aber durchaus unterschiedlich gebraucht wird. Was bedeutet z. B. Kontinuierliche Qualitätsverbesserung (Continuous Quality Improvement), Total Quality Management, Qualitätssicherung (Quality Assurance), Qualitätsbeurteilung (Evaluation), Assessement, Audit, Qualitätskontrolle?

Mißverständnisse entstehen auch dadurch, daß die unterschiedlichen Aspekte des Qualitätsbegriffes vermengt werden: Qualität bedeutet nämlich zum einen einen subjektiv festgelegten Wert, eine Norm oder einen konsensabhängigen Standard, zum anderen objektive, z. B. physikalische Merkmale, Beschaffenheiten oder beobachtbare Eigenschaften. Dieser Tatbestand läßt sich als Komplementarität ("Janusköpfigkeit") bezeichnen. Diese Komplementarität findet sich auch in der Lehre wieder, wo es zum einen darum geht, intersubjektive Werte und ärztliche Einstellungen zu vermitteln und zum anderen objektives Wissen zu transferieren.

Prozedural gesehen ist Qualitätsmanagement eine Führungsstrategie, die aus Qualitätsplanung (strukturelle Qualitätsverbesserung), Qualitätslenkung (Varianzminimierung durch Prozeßevaluation und prozedurale Optimierung) und kontinuierlicher Qualitätskontrolle (Ergebnisevaluation) besteht. In diesem Ansatz erscheinen zwei Gesichtspunkte wesentlich: Erstens werden empirische Daten aus dem Unterrichtsprozeß und von den Ergebnissen in den Entscheidungsprozeß über Konzepte und strukturierende Maßnahmen zurückgekoppelt, so daß diese Entscheidungen auf einer empirischen Basis beruhen. Zweitens ist Evaluation ein elementarer Bestandteil des Qualitätsmanagements. Evaluation dient als Daten lieferndes Instrument der Entscheidungshilfe und ist damit als optimierende Unterstützung der Lehrenden und Lernenden einsetzbar.

Wenn Evaluation diesen steuernden Einfluß haben soll, dann muß sie technisch einwandfrei, d. h. wissenschaftlich sein, oder mit anderen Worten: nach Forschungsgesichtspunkten, d. h.Test-Gütekriterien, gestaltet werden.

3.1.1. Was ist Evaluation?

Im Prinzip handelt es sich dabei um ein Verfahren zur Qualitätsbewertung. Qualität wird in einem Soll-Ist-Wertvergleich meßbar gemacht. Dabei wird ein zuvor definierter Soll-Wert mit dem tatsächlichen durchschnittlichen Ist-Wert verglichen. Für den Unterricht heißt dies: Hat die entsprechende Unterrichtsmaßnahme das gesteckte Ziel erreicht? Die quantitative Erfassung von Qualität als sogenannter Zielerreichungsgrad kann in einem Ablaufdiagramm visualisiert werden 6. Damit ist eine nachvollziehbare Überprüfung der Unterrichtsqualität möglich. Der Zielerreichungsgrad kann rechnerisch bestimmt werden aus der Differenz von Soll-Wert und Ist-Wert dividiert durch den Soll-Wert.

Es versteht sich von selbst, daß das Ziel nur mit wirksamen Methoden erreicht werden kann. Deshalb ist die kausalanalytische Wirkungsanalyse von Unterrichtsmaßnahmen 7 der allererste methodische Schritt zur Unterrichtsgestaltung. Ihm folgt die beschriebene Bestimmung des Zielerreichungsgrades. Wirkungsanalyse und Zielerreichungsanalyse stellen den methodischen Ansatz jeglicher Evaluation dar. Die Differenz des durchschnittlichen Ergebnisses bzw. Effektes der Verumgruppe und der Kontrollgruppe dividiert durch die Standardabweichung der Kontrollgruppe ergibt die Effektstärke, mit anderen Worten, den Wirkungsgrad einer Maßnahme. Das Produkt von Wirkungsgrad bzw. Effekt einer Unterrichtsmaßnahme und deren Zielerreichungsgrad ergeben den Nutzwert der Unterrichtsmaßnahme .

3.1.2. Modell des Qualitätsmanagements

Der Nutzwert einer Unterrichtsmaßnahme ergibt sich aus dem Produkt von Effekt und Zielerreichungsgrad. Wird dieser empirisch bestimmte Nutzwert in das Verhältnis zu den Kosten bzw. dem Aufwand gesetzt, so erhält man die Effizienz einer Maßnahme. Die Effizienzbestimmung über die Zeit (Panel-Design der Qualitätsbeobachtung bzw. Zeitreihen-Analyse) kann als Qualitätskontrolle bezeichnet werden. Hat diese Qualitätskontrolle Prozeßoptimierungsmaßnahmen zur Folge, so sprechen wir von Qualitätssicherung. Qualitätssicherung alleine reicht aber nicht hin, um eine Organisation oder Institution anpassungsfähig an die sich ändernden Umstände in ihrer Umgebung oder ihrem Innenleben zu halten. Deshalb muß zusätzlich zur Qualitätssicherung des Prozesses eines Systems dessen Struktur durch empirisch begründete Maßnahmen optimiert werden. Wenn diese umfassende, prozedurale und strukturelle Planung und Lenkung vorliegt, sprechen wir von Qualitätsmanagement. Das Qualitätsmanagementmodell der Lehre besteht also aus der konzeptionellen (didaktischen) Struktur (Curriculum im engeren Sinne), welche die Unterrichtsdurchführung leitet. Art und Weise der beobachteten Unterrichtsdurchführung (Prozeßevaluation) und die dadurch bedingten Effekte bei den Lernenden (Ergebnisevaluation) werden für weitere Entscheidungen über Änderungen der Struktur herangezogen. Diese Rückkoppelungsschleife vom Ende der Kette (Ergebnis) an den Anfang in die Unterrichtskonzeption bzw. curriculare Struktur (Strukturevaluation), ist geeignet, das Lehrsystem an die sich ändernden gesellschaftlichen und materiellen Umstände anzupassen.

3.2. Evaluation im M-CIP

Entsprechend der Unterteilung eines Systems in seine Komponenten: Struktur-, Prozeß- und Ergebnisfunktion werden im M-CIP Qualitätserhebungen zur Struktur, der Unterrichtsdurchführung und zum Unterrichtsergebnis vorgenommen.

3.2.1. Strukturevaluation

Gegenstände der Strukturevaluation sind die ressourcen für die Lehre. Sie werden im Sinne einer Bilanzierung erfaßt. Weitere Gegenstände sind die Sozialformen des Unterrichts und die Evaluationansätze selbst im Sinne der Meta-Evaluation 8. Verwendet werden im M-CIP zur Strukturevaluation Konsensusverfahren (Delphi-Methode), Meta-Analysen, Kostennutzwert-Analysen und soziometrische Feldstudien. Eine Untersuchung der Sozialformen im M-CIP ergab, daß die häufigste Lehrform expertengeleitetes Lernen ist (42,2 % der gesamten Lernzeit), gefolgt von der Vorlesung (33,1 %), dem problembasierten Lernen (PBL mit 13 %) und schließlich dem autodidaktischen Eigenstudium (mit 11,7 %). Diese Verteilung ist nicht zufällig, sondern folgt dem definierten didaktischen Konzept des M-CIP 9. Die Strukturdefizite der deutschen Medizinerausbildung werden aus einer Erhebung deutlich, die sich mit der Klassifikation des Studiendesigns für Evaluationen an den deutschen Fakultäten befaßte. Dabei wurden in 36 deutschen Fakultäten 18 Reformprojekte beobachtet. Von diesen 18 Reformprojekten hatten nur 4 ein objektivierbares Studiendesign für ihre Evaluationen. Demgegenüber haben die führenden Reformprojekte im Ausland (McMaster, Newcastle in Australien, Maastricht, New Mexico, Harvard und Sherbrooke) alle ein objektivierbares Evaluationssystem, womit dort die Voraussetzungen für curriculare Anpassungsmaßnahmen und somit für kontinuierliche Reformen gegeben sind.Das M-CIP hat einen gut ausgearbeiteten Evaluationsansatz (quasi-experimentelle Evaluation mit Meta-Evaluation), der den Evaluationsansätzen von McMaster, Newcastle und Maastricht entspricht. Insofern erreicht das M-CIP internationalen Evaluationsstandard. 6, | 7, | 8, | 10, | 11

3.2.2. Prozeßevaluation

Die Entwicklung des M-CIP, insbesondere die Umsetzung des Konzeptes in die Unterrichtspraxis ist dokumentiert 12, was in den Fakultäten nicht selbstverständlich ist, hier aber Bestandteil des Projektes bzw. schon seiner Planung war.

Die Evaluation ergab Einblicke in die Prozeßqualität des M-CIP: Es ist gelungen, mit Einführung des Lernebenen-Konzeptes im M-CIP Bedingungen zu schaffen, welche die Lernmotivation der Studenten unterstützen. Das Konzept von Lernebenen sieht vor, daß eine Lernebene zum Wissenserwerb durch Einrichtung von definierten Lernplätzen geschaffen wird. In Seminarform wird dabei mit Hilfe des problembasierten Lernens deklaratives und prozedurales medizinisches Wissen erworben. Dazu wurde eine Mediothek eingerichtet mit derzeit rund 500 Videofilmen und 20 computerunterstützten Lernprogrammen, zum Teil im Hypermedia-Design 13, 14 . Der Zeitanteil der Lernebene A an der Gesamtlernzeit beträgt im Praktikum der Chirurgie 22%.

Der Unterricht beginnt mit der beschriebenen Lernebene A und wird gefolgt von der Lernebene B: Hier findet Fertigkeitentraining im Skills Lab statt. Beispiele für Übungen im Rahmen dieses Fertigkeitentrainings sind gegenseitige körperliche Untersuchung, Reanimationstraining an einer Traumapuppe, Nahtkurse, Gipskurse usw. Der Zeitanteil an der Gesamtlernzeit beträgt für Ebene B 34 %. Die Lernebene C dient der Anwendung des auf Lernebene A und B Gelernten am Krankenbett (Bedside Teaching) (vgl. Fußnote 9). Der Zeitanteil im chirurgischen Praktikum beträgt für diese Ebene C 44 % der Gesamtlernzeit. Die Implementierung dieses Ebenenkonzeptes war geeignet, wesentliche Bedingungen für eine intrinsische Lernmotivation 15 zu schaffen.

Solche Bedingungen sind:

  1. Gewährleistung von Handlungsspielraum (Ermöglichung der Planung und Organisation des eigenen Lernens und der Lernzugänge)

  2. Operationalisierung der Lernziele (sie meßbar machen z. B. durch Formulierung in Worten des Tuns)

  3. Herausforderung der Lerner durch die zu lösende Aufgabe

    • durch Problemorientierung (Aufforderung zum Problemlösen)

    • durch Fallorientierung (Authentizität der Lerninhalte)

    • durch Performanzorientierung (Learning by doing, Berücksichtigung der Kompetenz der Lernenden durch Anpassung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabe, Vorbereitung der Lerner auf den Unterricht am Krankenbett durch Seminare und Fertigkeitentraining im Sinne des Lernebenenkonzeptes)

  4. Gewährleistung konzentrierter Aufmerksamkeit durch die Definition und dementsprechende eigentätigkeitsorientierte Gestaltung von Lernplätzen

  5. Feedback über den Lernerfolg (durch nicht selektionierende Prüfung von Kompetenz und Performanz der Studierenden).

Psychometrische Beobachtungen mit einem standardisierten Fragebogeninstrument ergaben Hinweise, daß die Lernmotivation der Studenten, die aus der Sache kommt und als intrinsisch bezeichnet wird, deutlich ausgeprägt ist und somit durch das Ebenenkonzept unterstützt wird. Die extrinsische Motivation (Strafe oder Belohnung, Selektionsdruck durch Prüfungen) war dagegen signifikant gering ausgeprägt. Die Akzeptanz des Unterrichts seitens der Studenten war im Vergleich zum nicht reformierten Kurs hoch. Aus den motivationspsychologischen Untersuchungen des M-CIP kann gefolgert werden, daß je nach Lernebene das Gewicht der instruktionalen Einflußgrößen für die Lernmotivation wechselt: Auf Ebene A sagen die In-struktionsgrößen Feedback und Eigentätigkeit am stärksten die intrinsische Lernmotivation voraus. Didaktische Einflußgrößen sind hier nachrangig. Auf Lernebene B sagt Eigentätigkeit gefolgt von Feedback am stärksten die intrinsische Lernmotivation voraus. Auf Lernebene C hingegen sagt die didaktische Lehrqualität gefolgt von Empathie seitens der Tutoren am stärksten die intrinsische Lernmotivation voraus. Feedback spielt hier erstaunlicherweise keine signifikante Rolle. Dementsprechend kann empfohlen werden, auf der Ebene A (Wissenserwerb) die formative Evaluation in verstärktem Umfange zu gewährleisten: auf Ebene B die selbstgesteuerte, eigentätige Übung; auf Ebene C soziale Einbindung der Lernenden, Empathie für die Lernenden seitens der Tutoren und einen didaktisch geordneten Unterricht am Krankenbett 16.

Die Unterrichtsdurchführung weist im reformierten Praktikum eine Patienten-Studenten-Relation von 1 : 3 aus, gegenüber vorher von 1 : 14. Die Dozenten-Studenten-Relation wurde von primär durchschnittlich 1 : 14 auf zu 1 : 7 im Reformpraktikum gesenkt bei in beiden Ansätzen gleichen Studentenzahlen.

3.2.3. Ergebnisevaluation

73 % der Studenten schätzten ihren Lernerfolg als hoch oder sehr hoch ein. Im 2. Staatsexamen schnitten die Studenten, die das reformierte chirurgische Praktikum durchlaufen hatten, tendenziell besser ab als die Studenten im traditionellen Curriculum (Notendurchschnitt 2,3 +- 0,9 zu 2,5 + - 0,8 im mündlichen Staatsexamen).

3.2.4. Effizienz-Überlegungen

Der Nutzen der Reform des M-CIP ergibt sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Implementierung und Effektivität aus dem Vergleich mit einem anderen Reformprojekt, das in einem Zeitraum von 3 Jahren 3 Kurse reformierte mit einem 3-fach höheren finanziellen Aufwand als das M-CIP, das in 3 Jahren 6 Kurse reformierte. Der Unterschied zwischen den beiden Projekten liegt in dem expliciten und vor allem implementierten Qualitätsmanagement-Ansatz des M-CIP. Es kann aus diesem Vergleich geschlossen werden, daß der Ansatz des M-CIP effektiv und vergleichsweise kostengünstig, somit effizient ist.

4. Diskussion

Die Evaluationsergebnisse des M-CIP zeigen, daß es möglich ist, die derzeit gültige Approbationsordnung (7. Novelle) in praktische Unterrichtsorganisation umzusetzen, wobei bereits die Maßgaben der neuen Approbationsordnung (8. Novelle) trotz nicht-reduzierter Studentenzahl weitgehend verwirklicht sind. Die Lehrqualität des M-CIP entspricht internationalem Standard. Die Ursache für die im M-CIP erreichte qualitative Verbesserung der Lehre ist mit Wahrscheinlichkeit das mit der Reform eingeführte Qualitätsmanagement. Die Erfahrungen des M-CIP entsprechen durchaus gleichartigen Erfahrungen in den Vereinigten Staaten, wo die Einführung von Qualitätsmanagementmaßnahmen in die Lehre vorangetrieben und positiv beurteilt wird . Durch die professionellere Beschäftigung mit der Lehre im M-CIP wurde zugleich Lernforschung initiiert, die als weitere Voraussetzung der Reform und des Qualitätsmanagements gesehen werden kann . Mittlerweile sind Teile der Reform des M-CIP auf einen anderen chirurgischen Lehrstuhl übertragen, ein zweiter beginnt gerade damit. Die zahlreichen Anfragen und Visitationen aus den verschiedensten Institutionen zeigen, daß das M-CIP Effekte auch in anderen Gebieten hat. Es ist aber weder beabsichtigt gewesen, noch für die Zukunft geplant, das M-CIP als Ganzes auf andere Institutionen zu übertragen. Jede Institution muß ihre eigene Lehrkultur entwickeln, kann dabei allerdings auf Erfahrungen in anderen Institutionen zurückgreifen, um das Rad nicht neu erfinden zu müssen. Was aber generell übertragbar ist, sind die Methoden des Qualitätsmanagements, wie sie oben dargestellt werden.

Wenn auch kein kausalanalytisch abgesicherter Beweis für die Effektivität des Qualitätsmanagements in der Lehre vorliegt, so zeigen doch die weltweiten Erfahrungen mit der Methodik, daß sie in Reformen sinnvoll einsetzbar ist. Wesentlich scheint allerdings zu sein, daß Qualitätsmanagement zum Störfaktor mit negativen Folgen werden kann, wenn die Lenkungsebene und die Führungspersonen reform- bzw. veränderungsfeindlich eingestellt sind. Sie empfinden Qualitätsmanagement dann als Störfaktor oder kontrollierenden Bürokratismus. Wer in einem solchen Setting Qualitätsmanagement einzuführen versucht, ohne das Mandat der Institution zu haben, wird zum Don Quichotte.

Andere strukturelle Rahmenbedingungen können der in Deutschland in Gang gekommenen Reform aber viel eher schaden 3: Nicht die hohen Studentenzahlen sind eine maßgebliche Störgröße 3, | 12, | 16, | 18, sondern die zunehmende Regelungsdichte seitens des Gesetzgebers: Durch das neue Arbeitszeitgesetz der BRD, Gesetze wie GRG, GSG, HRG, die Ländergesetze, die neue Approbationsordnung (ÄAppO) wird der ohnehin schon durch Krankenversorgung, Forschung, Lehre und Verwaltungsaufgaben überlastete akademische Mediziner nicht gerade zur Lehre motiviert, denn durch die genannten Gesetze und die damit verbundene ressourcen-Verknappung ist die ohnehin schon schwer zu organisierende Lehre noch schwerer zu managen. Außerdem wirkt als Störgröße, daß keine Effizienzbestimmung in der Lehre möglich ist, weil es keinen ausgewiesenen Etat alleine für die Lehre gibt, so daß wir es mit wechselnden Mischfinanzierungen zu tun haben, die eine curriculare Planung weitgehend unmöglich machen. Obgleich Ausbildung eine Zukunftsinvestition darstellt, wird gerade hier zuerst gespart und offenbar beliebig gesetzlich reglementiert. Diese Verluste an Autonomie und Kompetenz führt zu Demotivation. Die veralteten Führungsstrategien der Fakultäten und Kliniken tun ein übriges.

Die Frage, wie man nun das erforderliche Veränderungsklima in den Institutionen erzeugt, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Damit aber nicht der Eindruck entsteht, daß das M-CIP zu dieser wesentlichen strukturellen Reformvoraussetzung keine Vorstellungen oder implementierte Ansätze besitze, sei hier kursorisch auf Folgendes verwiesen:

  1. Kommunikation über Lehrreformen - ihre Konzepte, Implementierung und Evaluierung - mit allen Beteiligten, auch im Sinne eines Marketing- bzw. Public-Relation-Ansatzes, ist essentiell, da viel Blut und Tränen in der Lehre auf Uninformiertheit oder gezielter Desinformation beruhen.

  2. "Führen von unten" als Handlungsstrategie für Reformer ist sinnvoll und gelegentlich auch wirkungsvoll.

  3. Gestaltung der Reform als wissenschaftliche Studie bzw. als Projekt erhöht ihre Glaubwürdigkeit.

  4. Die Reformer müssen eine hohe Frustrationsschwelle, Empathie und eine ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstmotivation mitbringen. Profilneurotiker sollten in die Forschung, nicht in die Lehre gehen.


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