|
Zeitschrift für Hochschuldidaktik Nr. 3/1997:
|
ZusammenfassungEin Bericht über den Einfluß des UnivStG 1997 und der Grazer Konferenz auf die Studienreformdiskussion an den Österreichischen Medizinischen Fakultäten |
Die 2. Konferenz zum Thema "Qualität der Lehre in der Medizin" im April 1997 in Graz, wird vielleicht rückblickend als ein Durchbruch in der österreichischen Diskussion zur Neugestaltung des Medizinstudiums betrachtet werden. Sie fand zu jener Zeit statt, als im Parlament gerade über eine für Österreich revolutionäre Änderung, das neue Universitätsstudiengesetz (UnivStG 1997) beraten wurde. Dieses Gesetz ist mittlerweile bereits in Kraft. Seit Herbst 1997 ist es dementsprechend Aufgabe der jeweiligen Studienkommission, Studienpläne auszuarbeiten und zu beschließen. Die Aufgabe des Wissenschaftsministerium beschränkt sich dagegen seither auf die Funktion einer Aufsichtsbehörde, anstatt wie bisher auch bei inhaltlichen Belangen der Studienplangestaltung federführend mitzuwirken. Das Gesetz eröffnet den Universitäten auch die Möglichkeit, sich mit deutlich differenzierten Studienplänen profilieren zu können.
Während die erste Konferenz über die "Qualität der Lehre" (Herbst 1995, siehe ZSfHD 1-2/96), von vielen Teilnehmern lediglich als eine akademische Informationsveranstaltung verstanden wurde, war 1997 die Atmosphäre wie ausgewechselt. Denn von nun an gab es reelle Chancen, das hier Vorgestellte auch zu Hause umzusetzen. In diesem Geist fanden lebhafte Diskussionen statt.
Mit einigem Abstand zur Veranstaltung läßt sich zwar ein etwas kritischeres Resümee ziehen als unmittelbar nach dem Symposium unter dem positiven, nahezu euphorischen Eindruck seiner erfolgreichen Durchführung. Aus diesem zeitlich distanzierten Blickwinkel wollen wir eine weitergehende Beurteilung der Konsequenzen der Veranstaltung versuchen. Frei nach der Frage, die wir am Ende des 1. Symposiums im Oktober1995 gestellt hatten:
"Und was setzen wir am Montag um?"
Was ist nun seither tatsächlich geschehen, und welchen Einfluß hatte das Symposium darauf?
Die Ereignisse des vergangenen Jahres haben in der Tat bestätigt, daß etwas vom Geist der Grazer Konferenz in die Medizinischen Fakultäten getragen wurde: Die gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung eines neuen Curriculums ist das beherrschende Thema der Studienkommissionen; an allen drei Fakultäten hat die Arbeit bereits begonnen. In Graz und Wien wird dabei der dezeitige Studienplan dezidiert nicht als Planungsgrundlage für den neuen herangezogen. Statt dessen sollen erfolgreiche Curricula ausländischer Universitäten analysiert und der Kontakt mit ausländischen Experten aufrechterhalten und intensiviert werden.
Der Geist des Primats inhaltlicher Fragen hat sich jedoch noch nicht auf die Fakultäten in ihrer Gesamtheit übertragen. Häufig stehen hier noch die Diskussionen um die Ressourcenknappheit insbesonders auf dem Personalsektor und die Implementierung des UOG 93 im Vordergrund. Allerdings erfolgt durch die beginnende Diskussion eines Leitbildes (Graz) bzw. eines Qualifikationsprofils (Wien) eine langsame Bewußtseinsbildung.
Wie wichtig die intensive und zügige Arbeit am Curriculum ist, zeigt die offensichtliche Konkurrenzierung der Universitäten durch die Einrichtung der verschiedenen Fachhochschulstudiengänge und besonders die ministerielle Idee, diese Ausbildungsform auch für das Human- und Zahnmedizinstudium zu diskutieren.
Die dringende Implementierung eines Curriculums für das Diplomstudium Zahnmedizin, welches laut EU-Vertrag mit 1. 1. 1999 zumindest an einer Fakultät in Österreich eingerichtet sein muß, erzeugt einen enormen Zeitdruck. Wir sehen darin allerdings auch eine Chance, rasch eine Versuchsphase für das Humanmedizinstudium zu schaffen, da später 90% des ersten Abschnittes beider Diplomstudien übereinstimmen müssen. Jedenfalls ist dies ein erster Test für die Reformfähigkeit unserer Fakultäten.
Wenn auch die greifbaren Ergebnisse noch rar sind, so ist doch die Sensibilität und Problemerkenntnis in den Medizinischen Fakultäten deutlich gestiegen. Damit hat sich auch eine größere Bereitschaft zur Diskussion anderer Lehr- und Lernformen entwickelt. Dies zeigt sich zur Zeit in Graz in der Phase der Diskussion des derzeitigen ersten Abschnittes mit den vorklinischen Fächern.
Angesichts der Diskussion um das Zahnmedizinstudium drängt die Lösung der Frage: "Wieviele Studierende werden zu diesem Studium aufgenommen, bzw. wie gehen wir mit der vorgegebenen Zahl der Ausbildungsplätze im 3. Abschnitt um?". Ebenso wie in der seit Jahrzehnten geführten Diskussion über die Studienreform hat es die Politik auch hier verabsäumt, eine Lösung zu finden. Und die Universitäten sind nun nach ihrer "Entlassung" in die sogenannte Eigenverantwortung noch nicht in der Lage, darauf zu antworten.
Die Grazer Fakultät hat sich zur Schaffung einer gemeinsamen Studienkommission für das Diplomstudium Humanmedizin, das Diplomstudium Zahmedizin und das (völlig neue, erst durch die Gesetzesänderung mögliche) Dissertationsstudium, entschlossen. Dadurch ist eine kontinuierliche und vor allem zeit- und personalökonomische Arbeitsweise möglich. Weiters ist die gesetzlich vorgeschriebene inhaltliche Verknüpfung der Studien ohne zusätzlichen Informationsaufwand möglich, da dieselben Personen damit befaßt sind.
Darüberhinaus wurde ein jour fixe eingerichtet und alle Fachvertreter augefordert, die Stellung und die Inhalte des jeweiligen Faches in einem zukünftigen Curriculum darzulegen. Dies soll unter der Prämisse geschehen, geänderte Lehr- und Lernmethoden wie z.B. problemorientiert und/oder fächerübergreifend anzuwenden. Dabei muß sichergestellt werden, daß Studierende das Studium im gesetzlich vorgesehenen zeitlichen Rahmen von 12 Semestern auch tatsächlich absolvieren können.
Der Zeitplan sieht weiters Workshops unter Beteiligung ausländischer Experten, sowie eine permanente Information und Diskussion innerhalb der Fakultät vor.
An der Wiener Medizinischen Fakultät fanden im WS 1997 Vorträge und Workshops von den Professoren Bouman (Physiologie, Academic Medical Centre, Amsterdam), Percy-Robb (Studiendekan, Universität Glasgow), Bligh (Leiter der Medical Education Unit, Universität Liverpool) sowie Eitel (Theoretische Chirurgie) und Putz (Anatomie, beide: Ludwig-Maximilians-Universität München) statt, in denen sowohl moderne Lern- und Lehrmethoden, als auch Leitlinien für Studienpläne besprochen wurden.
Mit Jahresbeginn 1998 gab es den eigentlichen Startschuß für die Studienreform. Als erster Schritt wurde die Projektgruppe MedizinCurriculumWien (MCW), durch Stiftungsgelder der Medizinischen Fakultät Wien und Projektfinanzierung des BMWV ermöglicht, als task force der Studienkommission eingesetzt. Zur Strukturierung der Zusammenarbeit zwischen StuKo, der Projektgruppe MCW und der Fakultät wurde ein verbindliches Procedere mit Zeitplan bis 1. 10. 2001 beschlossen. Denn der Erfolg dieses aufwendigen und vielschichtigen Unterfangens hängt davon ab, daß es mölichst viele der Betroffenen mitgestalten und sich mit dem Ergebnis identifizieren können. Dafür muß der Entscheidungsprozeß demokratisch und transparent sein, gleichzeitig aber auch effizient und frei von vermeidbaren Verzögerungen ablaufen. Die entscheidenden Punkte des Procedere sehen daher vor:
In Hinsicht auf Punkt (B) ist es notwendig, die Ziele des Studiums zu definieren, bevor über Fragen der Inhalte, Methoden und Mittel diskutiert wird. Einer der möglichen Wege dazu ist die Formulierung eines Qualifikationsprofils, was auch vom UnivStG 1997 (§12 (5)) als wesentliches Mittel zur Qualitätsentwicklung und -sicherung gefordert wird.
Die Aktivitäten der StuKo und der Projektgruppe MCW konzentrieren sich daher im ersten Halbjahr 1998 auf die Erstellung des Qualifikatonsprofils und eines Studienzielkatalogs als Basis für die weiteren Arbeiten am neuen Studienplan. Zu diesem Zweck wurden bis jetzt zwei MCW-Newsletter an Fakultätsmitglieder verschickt und mittels eines Erhebungsbogens Meinungen zum Qualifikationsprofil gesammelt.
Ohne die Grazer Konferenzen und die themenverwandten Wiener Aktivitäten würden wir derzeit wohl noch neidvoller über die Grenzen blicken: in jene Länder, in denen längst Veränderungen stattgefunden haben. Wahrscheinlich würde sich auch weiterhin eine kleine Gruppe "Verirrter" ihres gegenseitigen Verständnisses versichern ohne aber eine Chance zur Umsetzung ihrer Ideen zu sehen. Ohne Unterstützung durch diese Veranstaltungen wären wir dem Druck von außen Ministerium, Öffentlichkeit hilf- und konzeptloser ausgesetzt. Dies alles sei gesagt, wenngleich auch jetzt noch ein weiter Weg bis zu vorzeigbaren Ergebnissen zu gehen ist.
Die entgültigen Entscheidungen über die neuen Studienpläne Medizin müssen an unseren Fakultäten fallen. Nur dort können die ortsspezifischen Traditionen, Randbedingungen und Lösungsmöglichkeiten entsprechend gewertet und einbezogen werden. Schließlich sind es ja auch unsere Fakultäten, die die fertigen Pläne mit Leben erfüllen, daß heißt umsetzen müssen. Und dies wird nur dann erfolgen, wenn sie sich mit den Plänen identifizieren können "the faculty must own the curriculum". Die Grazer Veranstaltungen bieten aber die Möglichkeit, Zwischenergebnisse miteinander zu vergleichen und auf internationaler Ebene zu diskutieren.
Analoges kann auch zum Stichwort Evaluation gesagt werden, dem zweiten Programmschwerpunkt der Konferenz: "the faculty must own the evaluation".
Das Pilot-Projekt der Rektorenkonferenz zur Evaluierung der Medizinischen Fakultäten, welches in Graz in einem eigenen Workshop heiß diskutiert, und am letzten Vormittag der Tagung in offener Diskussion mit unseren ausländischen Gästen als grundsätzlich positiver Ansatz mit kritischen Anmerkungen versehen wurde, ist in eine entscheidende Phase getreten.
An allen Fakultäten wird der Besuch der externen Gutachter Ende April 1998 stattfinden. Am schnellsten kamen die beteiligten Insitute und Kliniken der Medizinischen Fakultät Innsbruck voran, die ihre Selbstevaluation zügig durchführten.
An der Grazer Medizinischen Fakultät hat sich das Institut für Pathologische Anatomie letztlich doch nicht zu einer aktiven Mitarbeit durchringen können, so daß sich nur das Physiologische Institut und die Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Evaluation unterziehen. An beiden zeigt sich, wie schwierig ein solches Unterfangen ist. Widerstände müssen überwunden werden, und selbst bei vorhandener Motivation und positiver Einstellung und Einsicht in die Vorteile einer Evaluierung erfordert die Durchführung im täglichen Betrieb enormen persönlichen Einsatz. Bei einer strukturierten Klinik muß zusätzlich zu den Abteilungsberichten ein gemeinsamer Nenner gefunden werden. Die Phase der Selbstevaluation ist nun abgeschlossen.
Die teilnehmenden Institute und Kliniken der Medizinischen Fakultät Wien haben die "Checkliste", die ursprünglich von den Evaluatoren vorgegeben wurde, als unzweckmäßig empfunden und abgeändert. Inzwischen haben aber auch sie die Selbstevaluation abgeschlossen. Hier muß aber kritisch angemerkt werden, daß die bisherigen Aktivitäten weitgehend unbemerkt von der restlichen Fakultät ablaufen und damit der eigentliche Zweck der Beispiel- und Vorbildwirkung nicht erreicht wird.
In Hinsicht auf die Evaluation der einzelnen Lehrveranstaltungen ist an der Grazer Medizinischen Fakultät von einer Arbeitsgruppe der Studienkommission ein Fragebogen erstellt worden, welcher einheitlich für die Evaluierung der Lehrveranstaltungen durch die Studierenden verwendet werden soll. Um die Akzeptanz durch die Lehrenden zu erhöhen, wurde auch diesen Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zu den Rahmenbedingungen der spezifischen Lehrveranstaltung abzugeben.
Die Einbindung des Frauenforums Medizin in die Konferenz hat als dritter inhaltlicher Schwerpunkt großen Anklang gefunden und sehr zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen. Bei der Abendveranstaltung, der Posterparty, konnten die Anliegen insbesondere des Frauenforums publik gemacht werden und erfuhren politische Unterstützung durch Frau Ridi Steibl, Abgeordnete zum steirischen Landtag.
Soweit ein kurzer Abriß der Schwerpunkte und Folgen des Symposiums. Wir hoffen, nach dem nächsten Durchgang wieder über einen Schritt in Richtung des unseres Erachtens erforderlichen Paradigmenwechsel berichten zu können:
Vom Physikum zum Philosophikum im Medizinstudium
Um die schrittweise Fortbewegung der Fakultäten auf diesem Weg zu unterstützen und weiterhin eine österreichweite Plattform zu bieten, haben wir beschlossen, diese Konferenzreihe zu einer jährlichen Veranstaltung zu machen. Wir werden dabei weiterhin internationale Experten einladen, mit uns in Kontakt zu treten, um aus intenationaler Sicht zu unseren österreichischen Plänen Stellung zu nehmen. Auch der Termin die Woche nach Ostern wird für diesen Zweck beibehalten. Die Schwerpunktsetzung der Tagungen soll sich nach dem jeweils aktuellen Stadium der Studienplandiskussion richten:
15. - 17. 4. 1998: | Lehr- und Lernformen, Prüfungen, Evaluation |
7. - 9. 4. 1999: | Erstellung von Studienplänen, Staff Development |
26. - 28. 4. 2000: | Erstellung von Studienplänen, Prüfungen, Evaluation |
Es ist klar, daß eine solche Konferenzreihe der Unterstützung auf vielen Ebenen bedarf. Wir bedanken uns für die großzügigen finanziellen Beiträge, die wir von vielen Seiten erhielten (Steiermärkische Landesregierung, Stadt Graz, Steirische Ärztekammer und die Firmen Hipp, Johnson & Johnson, Milupa, Nestle, Novomed und Octapharma).
Es ist uns aber auch ein Bedürfnis den veranstaltenden Organisationen für ihre Hilfe in der Vergangenheit und ihre Bereitschaft zu danken, die Konferenz auch in Zukunft mitzutragen. Die Medizinische Fakultät der Universität Graz unterstützt die Veranstaltung finanziell und durch Bereitstellung der Räumlichkeiten, die Bundeskonferenz des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals der Österreichischen Universitäten und Kunsthochschulen (BUKO) in logistischer Hinsicht und indem sie die Ergebnisse der Konferenz österreichweit zur Diskussion stellt, während die Österreichische Gesellschaft für Hochschuldidaktik (öGHD) die notwendigen internationalen Kontakte kontinuierlich aufrechterhält und für die inhaltlichen Planung und Durchführung der Konferenz sorgt. In diesem Zusammenhang ist es uns ein besonderes Anliegen, Dr. G. S. Csanyi von der öGHD unseren Dank für seinen unermüdlichen Einsatz auszusprechen.
Richard März und Jörg-Ingolf Stein
[ Bestellen | Autoren | Inhalt | Englisch | weiter |
[Home | ZSfHD | ÖGHD Projekte | Links | Termine & News | ÖGHD | Suche |