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Zeitschrift für Hochschuldidaktik Nr. 1-2/1996:
Qualität der Hoschschullehre, Seiten: 14-17

Jörg-Ingolf Stein (Graz, Österreich)

Qualität der Lehre in der Medizin - Rückblick auf das Workshop und Ausblick in die Zukunft

Die Qualität der Lehre in der Medizin wird von den meisten Lehrenden (noch) als außer Diskussion stehend betrachtet, von den Studierenden zum Großteil als inexistent oder zumindest deutlich verbesserungswürdig empfunden und in der Öffentlichkeit wenn überhaupt nur an Hand der ärztlichen (Miß)- Erfolge beurteilt. Dies gilt zwar nicht nur für Österreich; Konsequenzen daraus wurden allerdings bisher nur in anderen Ländern aber (noch) nicht bei uns gezogen.

In Deutschland (Köln, München) gibt es seit geraumer Zeit Lehrstühle für Theoretische Chirurgie die ausgehend vom Fach Chirurgie versucht haben, die Qualität der Lehre zu messen und wissenschaftlich zu bearbeiten. In Maastricht (Niederlande) gibt es seit mehr als zehn Jahren eine Universität, die ihre ressourcen nur mehr auf Grund regelmäßiger Evaluation - auch der Lehrtätigkeit - erhält. Ein Workshop im April 1994 diente als Basis für eine breitere Diskussion in der interessierten (medizinischen) Öffentlichkeit.

Thure von Uexküll hat auf dem Symposium Qualität der Lehre der Medizinischen Fakultät Köln im Februar 1995 auf den Paradigmenwechsel im Medizinstudium (in Deutschland) hingewiesen, als das Philosophikum abgeschafft und das Physikum eingeführt wurde.

Heute stehen wir wieder an einem Wendepunkt, an dem wir erkennen müssen, daß dies ein Fehler war, und ein neuerlicher Wechsel weg von der rein naturwissenschaftlich orientierten Ausbildung mit Anhäufung von Einzel- und Faktenwissen, hin zu einer am Menschen und seiner Umwelt sich orientierenden, verknüpfenden und Zusammenhänge lehrenden Ausbildung. Das bedeutet aber auch die Wiedereinführung eines Philosphikums und eines Pflegepraktikums (nicht nur in Deutschland!).

Qualitätsmanagement in der Lehre beginnt im Kopf! (Als nicht represäntativ, sicher aber abschreckend ehrlich sei hier ein Ausspruch eines wissenschaftlich renommierten Hochschullehrers unserer Fakultät angeführt, der auf dem Weg zur Vorlesung meinte er gehe in den Saal der toten Augen.) Es ist ein dynamischer Prozeß, der auf verschiedenen Ebenen abläuft; Evaluation ist dabei ein Grundprinzip der Qualitätssicherung und Voraussetzung für eine eventuelle Verbesserung der Situation. Diese Erkenntnis ist aber nicht einfach zu verordnen, sondern muß langsam ins Bewußtsein der Betroffenen dringen. Dabei ist auch nicht zu übersehen, daß die Studierenden als gleichwertige Partner in alle Bereiche eingebunden werden müssen, da hier Interaktionen zwischen Lehrenden und Studierenden bestehen. Insbesonders hat die Evaluierung der Lehre durch die Betroffenen - die Studierenden - zu erfolgen. Die Ergebnisse der Evaluation wiederum müssen an die Lehrenden rückgemeldet werden. Dieses Feedback steigert wieder die Motivation beider.

Ein weiterer Grundsatz der für den Erfolg jedes Qualitätsmanagements im Bereich der Lehre notwendig ist, lautet "Karriere durch Lehre"; d.h. der Stellenwert der Lehre muß auf universitärer Ebene jenem der Wissenschaft und Forschung bzw. in der Medizin der ärztlichen Tätigkeit im Gesundheitswesen zumindest angeglichen werden.

Zum Qualitätsmanagement der Lehre gehört natürlich auch die Klärung der Lehrziele mit der Überprüfung der Lernziele. Woraufhin bilden wir die Medizinstudenten aus, und ist dies auch in deren Interesse? Weiters ist die Frage zu stellen, ob wir mit den geeigneten Mitteln - Lehrveranstaltungen, Lehrmitteln - ausbilden Und schließlich folgt die Ergebnisevaluation, die Prüfungsevaluation.

Im Bewußtsein dieser Problematik und angeregt durch die genannten Veranstaltungen in München (1994) und Köln (1995), ist es unser Wunsch gewesen, auch in Österreich die Lehre und ihre Bedeutung im universitären Bereich erneut in die öffentliche Diskussion zu bringen. Mit dem hier dokumentierten Workshop ist erstmals in Österreich der Versuch unternommen worden, dieses Thema in einer wissenschaftlichen Veranstaltung aufzubereiten und praktikable Grundlagen für ein Qualitätsmanagement der Lehre in der Medizin zu finden.

Bei der Planung der Veranstaltung hatten wir bewußt den Workshop-Charakter gewählt. Dazu sollten Plenarvorträge eine Übersicht über die Möglichkeiten, Erfahrungen und vor allem die Hauptprobleme geben. Bewußt war auch die Örtlichkeit gewählt worden. Ein Universitätsgebäude außerhalb der üblichen Medizinerumgebung, dafür im Nahbereich der Geisteswissenschaften, zum Teil in Räumen der sich mit unserem Thema naturgemäß beschäftigenden Pädagogik.

In themenorientierten, zahlenmäßig überschaubaren Arbeitsgruppen wurde dann den TeilnehmerInnen ausreichend Gelegenheit gegeben, Probleme zu definieren und Lösungsansätze zu finden. Dabei war der Auftrag an die Arbeitsgruppenleiter, darauf zu achten, daß möglichst praxisnah gearbeitet wurde. Durch die Zwischenberichte aus den einzelnen Arbeitsgruppen im Plenum war weiters die Verknüpfung der Themen und die Interaktion der Arbeitsgruppen gefordert. Im Schlußbericht war unter anderem auch die Frage zu beantworten: Was kann jede/r TelnehmerIn davon ad hoc umsetzen?.

In der Planung des Programmablaufs hatten wir daher bereits 60% der Zeit für die Gruppenarbeit und deren Diskussion vorgesehen, gegenüber nur 30% für Plenarvorträge. (Das hat sich auch im Ergebnis ausgedrückt; vgl. dazu die Evaluation des Workshops von G.S. CSANYI in diesem Band.) Dazwischen gab es noch reichlich Zeit für die zwanglose Diskussion in den Pausen und in den "gesellschaftlichen Veranstaltungen". Dieses sogenannte Rahmenprogramm erwies sich als außerordentlich wichtig für den Erfolg der Veranstaltung. Dabei konnte in sehr angenehmer Umgebung zwanglos der Gedankenaustausch fortgeführt werden.

An dieser Stelle möchte ich daher die Gelegenheit nützen, allen Personen und Institutionen zu danken die zum Zustandekommen und Gelingen dieses Workshop beigetragen haben. Hervorzuheben ist dabei die Unterstützung durch die Mitglieder der Steiermärkischen Landesregierung - Landeshauptmann, Landeshauptmannstellvertreter mit Zuständigkeitsbereich Wissenschaft, Spitalslandesrat - und den Bürgermeister der Stadt Graz. Danken möchte ich aber auch den Firmen Nestle und Alete, die durch ihre Unterstützung nicht unwesentlich zur Qualität des Rahmenprogramms beigetragen haben, der Steirischen Ärztekammer und dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Auf universitärer Ebene ist die Unterstützung durch die Medizinische Fakultät - Dekan, Budgetkommssion, Studienkommission - sowie den Rektor der Karl-Franzens-Universität zu erwähnen, der durch seine Teilnahme die Bedeutung der Veranstaltung für die Gesamtuniversität unterstrich. Organisatorisch wurde ich in hervoragender Weise von Frau Franziska SCHLACHER unterstützt.

Die Gesamtplanung und inhaltliche Zusammenstellung erfolgte gemeinsam mit Doz. MÄRZ und Dr. CSANYI von der Österreichischen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (ÖGHD), der dankenswerterweise auch die Evaluierung des Workshops durchführte. Die Bundeskonferenz des wissenschaftlichen Personals der österreichischen Universitäten und Kunsthochschulen untersützte uns nicht nur logistisch, sondern führte auch eine offene Sitzung der Medizinkommssion im Rahmen der Veranstaltung durch.

Wir waren und sind durch den Erfolg dieser Veranstaltung optimistisch, neuerlich einen Denkanstoß gegeben zu haben. Es wird zwar keine unmittelbare grundlegende Änderung der Situation der Lehre an den Medizinischen Fakultäten eintreten, aber über die persönlichen Möglichkeiten der TeilnehmerInnen hinaus, sind doch Verbesserungen erreichbar. Nicht nur in der Studienkommission der Medizinischen Fakultät Graz, sondern auch in der Budgetkommission, Lehrauftragskommsission ist die Evaluierung der Lehre immerhin ein Thema geworden, verbunden mit der zumindest grundsätzlichen Einsicht und Bereitschaft, künftig auch finanzielle Mittel dafür einsetzen, bzw. die Vergabe von ressourcen an gewisse Formen der Evaluierung koppeln zu wollen.

So versteht sich dieses Workshop auch als Beginn einer Reihe von weiteren Veranstaltungen zu diesem Thema, damit wir nicht gänzlich unvorbereitet den auf uns zukommenden Entwicklungen gegenüberstehen (siehe den Beitrag der Rektorenkonferenz in diesem Band bzw. das UOG'93). Zwei Folgeveranstaltungen werden bereits konzipiert: die erste Mitte Juni 1996 als öffentliche Präsentation des hier vorliegenden Bandes im Lernzentrum des AKH Wien; und die zweite als Fortsetzung der in Graz 1995 begonnenen Arbeit im März 1997 (voraussichtlich wieder in Graz).

Unser Bestreben muß sein, daß qualitätsvolle Lehre ein selbstverständliches, gemeinsames universitäres Ziel wird. Die Grundlage für das erforderliche Qualitätsmanagement aber ist die Evaluation.


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