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Zeitschrift für Hochschuldidaktik Nr. 1-2/1996:
Qualität der Hoschschullehre

Herbert M.S. JEREBIC | Johannes FRUHWIRTH |

Elvis und/and Mozart

Wenn wir Musik von einer CD hören, können wir ohne große Schwierigkeiten zwischen Mozart und Elvis unterscheiden; auch wenn wir via Internet die großen Museen dieser Welt besuchen, ist es uns bei musischer Vorbildung durchaus möglich, einen Monet von einem van Gogh zu unterscheiden. Wir benutzen also unser digitales Denken zur Bedienung der Neuen Medien um mit unserem analogen Denken die getroffene Auswahl unserem Geist zuzuführen. Schwieriger wird es schon, wenn wir jene sechs Streichquartette Mozarts, die er Haydn widmete und Haydns berühmtes op. 33 unterscheiden sollen. Der Kenner wird auch diese Aufgabe gewandt meistern.

Ein Computer wird zwar zwischen Mozart und Elvis Presley differenzieren können, bei den Streichquartetten aber wird es diffizil. Satzzyklus und Einzelsatz sind bei beiden gleich, die Vermengung von Sonatensatz- und Fugatoprinzip ebenfalls. Selbst die beste Software im Verbund mit ebensolcher Hardware könnte beide kaum unterscheiden. Dem geübten Zuhörer gelingt dies jedoch ohne Anstrengung anhand der Mozart eigenen üppigen Melodik, der chromatisch angereicherten Harmonik und anderer Merkmale, die das analoge Denken des Menschen sofort zuordnen kann.

Wie im gesamten täglichen Leben, so steigt auch in der Medizin der Einsatz der Neuen Medien, der "digitalen" Hilfsmittel, rasch an, sei es zur Diagnose, Therapie oder Forschung. Und in all diesen Bereichen dominiert immer mehr die apollonische Denkweise des systematischen Messens und des Analysierens zuungunsten der dionysischen (ganzheitlichen, intuitiven) Betrachtungsweise, die als unwissenschaftlich verworfen wird. Dies könnte ein Grund für die große Unzufriedenheit der Patienten in der praktischen Medizin sein. Dies könnte ein Grund für die Unzufriedenheit der in Ausbildung Stehenden sein, seien es nun Studenten oder promovierte Mediziner. Und dies könnte auch ein Grund sein, für die Unzufriedenheit mit der nun verordneten Evaluation der Lehre. Meinte nicht gerade Einstein, daß die menschliche Existenz nicht ausschließlich durch zählen und messen begriffen werden kann. Erinnern wir uns vielleicht im Unterbewußtsein an diesen Satz, wenn wir mit dem Thema Evaluation der Lehre konfrontiert werden? Gibt es nicht Parallelen zur Musik?

Da wahrscheinlich wenige (die die Bewertung der Lehre verordnet bekamen) die Musikwissenschaft als ihr Hobby auserkoren haben, und die Zahl derer, die sich ernsthaft mit der Methodik der Evaluation auseinandersetzen, nicht viel höher ausfallen wird, wird hier vorgeschlagen, sich dem Thema ähnlich zu nähern, wie der Musik.

So manchen gelingt der Zugang zur Musik durch U-Musik. Durch Zufall oder Neugierde wird dann das Tor zur E-Musik geöffnet. Nach Elvis hört man Rachmaninov, gelangt zu Mozart; Literatur stillt die vorhandene Neugierde und vertieft das Interesse an Fakten und läßt Zusammenhänge klar werden.

Viele Experten beschäftigen sich nun schon seit geraumer Zeit mit Evaluation und bieten streng strukturierte Analysen an (es wäre nicht schwierig, eine lange Literaturliste ans Ende dieses Beitrags zu setzen, die Sie in Ihre Datenbank einscannen könnten - so Sie nicht schon im Besitz der Zitate sind), doch wollen Sie wirklich eine musiktheoretische Abhandlung über Mozarts Kompositionen lesen, wenn Sie Elvis hören wollen?

Evaluation, im besonderen die strukturierte Bewertung ist nur dann durchführbar, wenn sie auch wirklich gewünscht wird.

Das Thema findet jedoch nicht nur interessierte Zustimmung. Es zeigt sich auch Ablehnung. Diese Stimmen führen entweder an,

  • das Thema sei zu komplex und eine strukturierte Bewertung daher unmöglich;

  • oder sie sind zuwenig vertraut mit der Methodik;

  • oder sie entwickelten bisher zuwenig Problembewußtsein.

Es muß daher zuerst das Interesse der ablehnenden Fraktion geweckt werden, sie muß sich erst einmal einhören.

Zu diesem Zweck sind die drei ablehnenden Teilgruppen, sowie auch die zustimmende Fraktion zu erheben. Im praktischen Fall, an der Medizinischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz, bedeutet das, daß im Idealfall alle Institute befragt werden müssen.

Unter der Voraussetzung, daß eine noch zu definierende Mindestanzahl an Teilnehmern den Lehrveranstaltungen beiwohnt, ist ein Vergleich der ablehnenden mit den zustimmenden Fraktionen durchzuführen. Der Vergleich sollte mit Pauschalantworten zur Qualität der Lehre durchgeführt werden. Dies deshalb, weil es sich in Patientenbefragungen im Gesundheitswesen gezeigt hatte, daß pauschale Antwortmöglichkeiten den differenzierteren Fragestellungen durchaus überlegen waren, um ein Gesamtbild zu erhalten.

Um die Kosten niedrig zu halten, sind zur Entwicklung der Methodik und zur Moderation Diplomanden aus dem Bereich der Pädagogik und Soziologie vorzuschlagen, wobei die Interdisziplinarität zur Medizin zu gewährleisten ist. Dieser erste (einfache) Zugang zur Evaluation ist idealerweise über mindestens vier Semester in den drei Studienabschnitten anzusetzen.

Die Ergebnisse sollten eine Verbesserung der Lehre in der Fraktion der Zustimmenden zeigen. In den drei Gruppen der ablehnenden Fraktion sollte keine deutliche Verbesserung zu erwarten sein. Es dürfte jedoch in diesen drei Gruppen, bedingt durch die (zu erwartende) Verbesserung der Lehre in der zustimmenden Fraktion, eine Motivation in Richtung Evaluation bewirkt werden; also ein gewisses Interesse für Mozart geweckt werden, um sich in weiterer Folge näher damit zu befassen.

Aufbauend auf die dann vorliegenden Resultate, können weitere Schritte zu einer strukturierten Evaluation mit komplexerer Methodik aufgebaut und die erforderlichen Teilziele neu definiert werden.

Diese hier kurz skizzierten Vorschläge sollten die Diskussion über einen praktikablen und kostengünstigen ersten Zugang zur Evaluation der Lehre an medizinischen Fakultäten anregen und es wird auch deshalb kein Anspruch auf vollständige methodische und statistische Ausführung erhoben.


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