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Zeitschrift für Hochschuldidaktik Nr. 1-2/1996:
Qualität der Hoschschullehre

Gerhild MEIER (Graz, Österreich)

Evaluierung von Lehrveranstaltungen und Auswirkungen der Evaluierung auf Lehrende und Studierende - Bericht aus dem Workshop 1 mit G.S. Csanyi
Course Evaluation and the Effect on Teachers and Students - Workshop Report

Zeitlicher Ablauf

  1. Kurzreferat von CSANYI / Diskussion zur Einführung in Workshop 1
  2. Vorstellungsrunde der Teilnehmer und Rollenverteilung für gemeinsame Arbeit
  3. Brainstorming
  4. Zusammenfassung der Ergebnisse in der Gruppe
  5. Präsentation der Ergebnisse im Plenum
  6. Fragestellungen anderer Workshops

1. Kurzreferat von CSANYI / Diskussion zur Einführung in Workshop 1

Die Evaluierung der Lehre wird spätestens mit dem UOG'93 kommen, lautet das Eröffnungs-Statement von G.S. CSANYI. Er führt selbst Evaluierungen der Lehre durch, ein weiterer Teilnehmer ist mit der Verwaltung von Evaluierungen befaßt, allen anderen Teilnehmern der Gruppe sind Versuche zur Evaluierung von Lehrveranstaltungen durch Fragebogenaktionen bekannt.

Das Hauptaugenmerk der gegenständlichen Arbeit wird sich auf folgende Fragen richten:

  • Wie kann man es attraktiv für jeden einzelnen machen, seine Lehrveranstaltung zu evaluieren?
  • Wie kann man die Evaluierung effektiv machen?
  • Was sind Vorteile (Hoffnungen, Wünsche) aufgrund der Evaluierung?
  • Was sind Nachteile (Belastungen) aufgrund der Evaluierung?
  • Was bin ich selbst bereit zu verändern?
  • Was ist die Rolle der Institution bei der Evaluierung?

2. Vorstellungsrunde der Teilnehmer und Rollenverteilung für gemeinsame Arbeit

Der Gruppe gehören ein Fachmann für Hochschuldidaktik (Leitung), ein Verwaltungsfachmann für Evaluierung, ein Internist, eine Pathologin und eine Fachärztin für Medizinische und Chemische Labordiagnostik an.

Auf die vier Teilnehmer/innen werden die folgenden Aufgaben verteilt:

  • Protokoll
  • Zusammenfassung und Präsentation der Ergebnisse des 1. Arbeitsnachmittages (intern)
  • Präsentation der Ergebnisse im Plenum
  • Fragestellungen an andere Workshops

3. Brainstorming

Die möglichen Auswirkungen von Evaluierungs-Maßnahmen und -Ergebnissen müssen für die Betroffenen nicht ausschließlich positiv sein oder als positiv empfunden werden. Aufgrund der bisher bekannt gewordenen Reaktionen auf durchgeführte bzw. angekündigte Evaluierungen der Lehre ist klar geworden, daß die potentiellen Nachteile eine mindestens ebenso große Rolle bei der Implementierung von entsprechenden Maßnahmen spielen (werden) wie die erhofften Vorteile.

Als (mögliche) Nachteile der Evaluierung werden gesammelt:

  • Zeitaufwand (Evaluierung wird von Institution als "Privatvergnügen" betrachtet);
  • unterschiedliche Qualitätskriterien und Bewertungsmodelle (mögliche Folge "Ungerechtigkeiten");
  • mangelhafte Auswertbarkeit der Ergebnisse; mangelnde Vergleichbarkeit der Institute/Lehrveranstaltungen;
  • keine Kontrolle der Kontrolle;
  • Kosten;
  • Absinken der Anforderungen an die Studierenden (denn was leicht zu bewältigen ist, wird vielleicht besser bewertet;
  • Verwendung von "Tricks";
  • "beleidigte Lehrende";
  • überdrüssige, "belästigte" Studierende;
  • fehlende Motivation der Studierenden am Ende einer Lehrveranstaltung;
  • festgelegte Lehrziele fehlen;
  • Ziel der Evaluierung nicht geklärt;
  • was schlecht bewertet werden könnte, wird weggelassen (auf der Ebene der Institute und der Fächer);
  • Reduktion der Lehrinhalte durch Studierende;
  • Institution trägt Evaluierung nicht im erforderlichen Ausmaß mit;
  • Institution gibt Anforderungsprofil nicht genau bekannt;
  • Institution honoriert Evaluierung nicht;
  • wer nicht evaluiert, feindet die, die evaluieren, an;
  • Reglementierung der Charakterstruktur / Persönlichkeit des/der einzelnen Lehrenden;
  • Sanktionen gegen Unschuldige .......

Als (mögliche) Vorteile der Evaluierung werden genannt

  • Bessere Ausbildung der Studierenden (durch:
    • Definition des Ausbildungszieles,
    • bessere zeitliche Verteilung von Belastungen,
    • Einsatz von Multimedia,
    • Lehrplanentrümpelung,
    • "Feed back",
    • interaktives Lernen,
    • integratives Lernen,
    • Curricula-Reformen (nicht verstandenes Wissen wird nicht behalten);
  • Studienzeitverkürzung;
  • geringerer Zeitaufwand für Lehrende;
  • Erkennen von blinden Flecken bei Lehrenden;
  • Chance zu kurz- und mittelfristiger Gegensteuerung bei erkannten Mängeln;
  • "Lehrer der Medizin werden Lehrer";
  • Konfrontation mit Studierenden, positive Zusammenarbeit mit Studierenden;
  • persönliche Befriedigung der Lehrenden, mehr Sinnhaftigkeit für die Lehrenden;
  • Imageverbesserung für die Institution;
  • Finanzielle Möglichkeiten (Umstrukturierung)

4. Zusammenfassung der Ergebnisse in der Gruppe

Bei der Diskussion der im Brainstorming gesammelten potentiellen Vorteilen zeigte sich, daß - allerdings nur unter evaluierungs und reformfreudigen Bedingungen - durch Evaluierung ein längerfristiger und vielschichtiger Prozeß in Gang gesetzt werden könnte, der mit der Zeit gewichtige Konsequenzen nach sich zieht, die auf den ersten Blick in Kombination gar nicht möglich erscheinen: nämlich eine bessere Ausbildung der Studierenden bei gleichzeitig geringerem Zeitaufwand für Lehrende und einer verkürzten Durchschnittsstudiendauer. Die - scheinbare - Zauberformel dafür lautet: Evaluation bietet die Chance, Mängel nicht nur rasch(est) zu erkennen, sondern ihnen auch kurz- bzw. kürzestfristigen gegenzusteuern.Aufgrund von erkannten und benannten Effekten der realisierten Lehraktivitäten (die mehr oder weniger erwünscht bzw. unerwünscht sein können) würden sich die Lehrenden vermehrt mit inhaltlichen, methodischen, didaktischen und organisatorischen Fragen befassen und die "Entrümpelung" von Lehrplänen als wichtige Aufgabe akzeptieren. Die Beteiligung der Studierenden an der Bewertung der Lehre könnte mehr Verbundenheit zwischen Lehrenden und Studierenden schaffen.Von diesem persönlicheren sozialen Klima an den Instituten und den positiven Konsequenzen von Verbesserungsmaßnahmen in der Lehre (auf allen Ebenen) dürfte auch die persönliche Befriedigung (Sinnhaftigkeit) für die Lehrenden steigen und zu verstärktem Engagement für die Lehre führen, welches seinerseits wieder die Lehrerfolge erhöht; usw. usf. Daraus müßte schließlich eine Imageverbesserung der involvierten Institute, Fakultäten und Universitäten resultieren und diese wiederum eine angemessenere Ausstattung mit finanziellen Mitteln durch die öffentliche Hand (vielleicht auch durch private Hände) nach sich ziehen. Dies würde wieder verstärkte (materielle und ideelle) Investitionen in die Qualität der Lehre ermöglichen, sodaß ... Soweit das hochgradig optimistische Zukunftsszenario. Damit dieses Realität werden kann, müßte zuerst einmal die oben bereits erwähnte Reformfreudigkeit in den Instituten geschaffen werden. Damit hängt die im Workshop als nächstes diskutierte Frage zusammen:

Wie evaluieren?

  • Innerhalb einer Blocklehrveranstaltung, innerhalb des Semesters
  • Qualität der Erhebungen aus der Sicht der Studierenden beurteilen lassen
  • Fragebögen auf Situation zuschneiden (standardisierte Fragebögen nicht notwendig)
  • Frage danach, ob Erklärungen auf Fragebögen verständlich (ja/nein)

    Wie muß eine Evaluierung aussehen, damit sie das Image verbessern kann?

    • Sachlich in Ordnung
    • Kriterien der Evaluierung (allgemein und spezifisch) fachbezogen (Evaluationskultur)
    • In einer zur Veröffentlichung geeigneten Form gehalten
    • Die Möglichkeit zur öffentlichen Stellungnahme der Evaluierten muß gegeben sein.
    • Evaluation muß Fragen zu Inhalten, die über die Einzelperson hinausgehen, beinhalten.
    • Sie muß Fragen zum Lehrplan insgesamt beeinhalten.

      Konsequenzen der Evaluierung: für den Einzelnen:

      • Differenzierung Forscher/Lehrer
      • Negative Konkurrenz

        Sanktionen (für den Einzelnen, für die Institution):

        • Ergebnisse öffentlich machen
        • Lehrauftragserteilung von Evaluierung abhängig machen
        • Budget/Bezahlung von Evaluierung abhängig machen

          Motivation zur Evaluierung für Institute:

          • Öffentlichkeit (Studierende)
          • Finanzielle Vorteile
          • Imageverbesserung Motivation zur Evaluierung für Studierende:
            • Studienzeitverkürzung
            • Bessere Ausbildung
            • Mitgestaltung

              5. Präsentation der Ergebnisse im Plenum

              Evaluierung braucht die Definition eines gemeinsamen Zieles, eines Normwertes (Lehrziel), der - u.a. durch Evaluierung - verwirklicht werden soll. Auch für die Evaluierung selbst muß ein Ziel gegeben sein (in welche Maßnahmen soll Evaluierung münden?). Das Ziel (Verbesserung der Lehre) und die darauf bezogenen Maßnahmen beeinflussen sich wechselseitig. Eine Verbesserung der Lehre kann auf individueller Ebene und auf institutioneller Ebene (kurz- und langfristig) stattfinden. Maßnahmen können auf individueller Ebene (kurz- und langfristig) und auf institutioneller Ebene (vorwiegend langfristig) gesetzt werden.

              Evaluierung von Lehrveranstaltungen bringt für die Studierenden als möglichen Vorteil bzw. Chance kurzfristig eine effektivere Ausbildung und langfristig eine gezieltere, berufsrelevantere Ausbildung, sowie Mitgestaltung in der Lehre und Studienzeitverkürzung. Nachteile oder Belastungen durch die Evaluierung ergeben sich für die Studierenden kurzfristig durch den Zeitaufwand, "die Belästigung", während langfristig keine Nachteile erkennbar sind.

              Für die Lehrenden bestehen die Chancen kurzfristig im Erkennen von Mängeln (z.B. "blinden Flecken"), langfristig in geringerem Zeitaufwand (Effizienzsteigerung) und Karrieremöglichkeiten. Nachteile bzw. Belastungen ergeben sich kurzfristig durch erhöhten Zeitaufwand und mögliche Polarisierungen (in der Kollegenschaft), langfristig durch den Wegfall von Lehraufträgen.

              Die potentiellen Vorteile der Institution bestehen kurzfristig im Erkennen von Mängeln (z.B. der Organisation), langfrisitig in Imageverbesserung und Verbesserung der finanziellen Möglichkeiten. Die Institutionen müssen aber kurz- und langfrisitg mit dem Anfall von Kosten für Evaluierungsmaßnahmen rechnen.

              Wesentliche Vorbedingungen für eine erfolgreiche Evaluierung sind die Motivation von Studierenden, Lehrenden und Institutionen und die Deckung des Bedarfs an finanziellen Mitteln und ein Konzept für die Öffentlichmachung des Prozesses und der Ergebnisse. Konsequenzen der Evaluierung von Lehrveranstaltungen könnten sein: die Notwendigkeit (extrauniversitärer) Beratung von Institutionen und/oder einzelnen Lehrenden und (individuelle) Weiterbildung.

              6. Fragestellungen anderer Workshops

              Folgende Fragen wurden an unseren Workshop gestellt und mit den Teilnehmern anderer Workshops diskutiert:

              • Wie kann man die Studierenden motivieren, sich am Evaluierungsprozeß zu beteiligen?
              • Wie kann diese Motivation stimuliert werden?
              • Wie können die Ängste vor Evaluierung abgebaut werden?
              • Wie könnte die Evaluierung von (mündlichen) Prüfungen durchgeführt werden?
              • Wie soll die Diskussion über die Ausbildungsziele stimuliert werden und wer sollte sich an dieser Diskussion beteiligen?



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